Hindemith Violin sonatas & Concerto
BIS 2024
1 CD/SACD stereo/surround • 68min • 2009
10.07.2013
Künstlerische Qualität:
Klangqualität:
Gesamteindruck:
Paul Hindemiths Musik wirklich auf höchstem Niveau aufzuführen, ist eine immense Herausforderung, und unter den unzähligen Aufnahmen sind gar nicht so viele, die den vielschichtigen kontrapunktischen und harmonischen Verflechtungen gerecht werden. Umso erfreulicher sind diese Neuaufnahmen Frank Peter Zimmermanns, die nicht nur in brillantester Weise widerlegen, dass Hindemith eben nicht jener sperrige, spröde-sachliche Unterweiser im Tonsatz war, als welcher er gerade in seinen Reifewerken in weniger hinreißenden Darstellungen erscheint. Auch die Durchdringung des melodisch-harmonischen Gehalts ist hier über weite Strecken fesselnd gelungen.
Mit Enrico Pace am Klavier, der vortrefflich die horizontalen und vertikalen Strukturen zu expressivem Leben erweckt, hat Zimmermann drei Duosonaten eingespielt: Die frühe zweisätzige Sonate in Es, die eine herrlich unbekümmerte Fortentwicklung der tonalen Tradition betreibt und deren zweiter Teil "Im Zeitmaß eines langsamen, feierlichen Tanzes" Booklet-Autor Malcolm MacDonald zu recht an die mysteriösen Aspekte Busonis erinnert; die Sonate in E von 1935 (der Geiger der Uraufführung hieß übrigens Stefan Frenkel, nicht Frankel!), die Hindemith als gereiften Meister der freien Tonalität in unverkennbar eigener Manier vorstellt und in knapper Zweisätzigkeit von großmeisterlicher formaler Schlüssigkeit bei immensem Reichtum an Mitteln ist; und die dreisätzige Sonate in C von 1939, die meines Erachtens zu Hindemiths großartigsten Werken zählt und von beiden Musikern in frappierend geistesgegenwärtiger Manier, mit souveräner Emphase gespielt wird.
Dies dürfte die bislang beste Aufnahme dieser Werke auf Tonträger sein, und das geigerisch so grundsolide wie ausdrucksvolle und geschmackssichere Spiel Zimmermanns bezaubert hier ebenso wie Paces gewandte Bewusstheit im vielstimmigen Geflecht. Auch in rhythmischer Hinsicht lässt sich das schwerlich übertreffen, und wo es erforderlich ist, setzen beide auch auf eine risikofreudige Verve, die unwiderstehlich wirkt.
Darüber hinaus offeriert uns Zimmermann noch die kurzweilig kecke Solosonate op. 31 Nr. 2 von 1924, die nach drei geigerisch faszinierenden Miniaturkabinettstückchen (darunter an dritter Stelle ein aphoristisch gestimmtes Pizzicato-Scherzo) ein kapriziöses Variations-Finale über Mozarts Lied „Komm lieber Mai" aufbietet, das aus Reger-Erfahrung gespeist aller akademischen Routinen abhold eine unbekümmerte Frische ausstrahlt, die die Reste romantischer Anbindung, wie sie noch in der sechs Jahre zuvor entstandenen Duo-Sonate op. 11 Nr. 1 vorhanden waren, abgestreift hat.
Im Violinkonzert wird Zimmermann vom Frankfurter Radio-Symphonieorchester unter Paavo Järvi sehr präzise und kraftvoll begleitet, in erstaunlicher Klarheit wird ein Großteil der Vielstimmigkeit des Satzes hörbar gemacht. Ob es wirklich nötig ist, die Dynamik der Solovioline gegenüber dem Orchester so stark anzuheben, ist strittig. Ich würde es eher vorziehen, etwas näher an den realen Verhältnissen im Raum zu bleiben, aber gewiss würden dann auch mehr Nuancen des Solisten im Orchesterklang untergehen. Jedenfalls sehe ich hier die einzige klangtechnische Schwäche des vorliegenden Albums. Diese Bemerkung soll nicht darüber hinweg täuschen, dass es sich um eine äußerst brillante Aufführung handelt, wo ein superber Geiger mit einem vorzüglichen Orchester dialogisiert. Das Werk ist ohnehin von durchweg höchstem Reiz der Erfindung und Durchführung sowie von vollendeter Formgebung. Ausgezeichnet wie immer ist der ebenso sachdienliche wie historisch beschlagene und originelle Begleittext Malcolm MacDonalds.
Christoph Schlüren [10.07.2013]
Komponisten und Werke der Einspielung
Tr. | Komponist/Werk | hh:mm:ss |
---|---|---|
CD/SACD 1 | ||
Paul Hindemith | ||
1 | Violinkonzert | 00:27:15 |
4 | Sonate für Violine allein op. 31 Nr. 2 (Es ist so schönes Wetter draußen) | 00:09:05 |
8 | Sonate Es-Dur op. 11 Nr. 1 für Violine und Klavier | 00:08:40 |
10 | Sonate E-Dur op. 11 Nr. 1 für Violine und Klavier | 00:09:10 |
12 | Sonate C-Dur für Violine und Klavier | 00:12:42 |
Interpreten der Einspielung
- Frank Peter Zimmermann (Violine)
- Enrico Pace (Klavier)
- Radio-Sinfonieorchester Frankfurt (Orchester)
- Paavo Järvi (Dirigent)