Arabesques
Animato PMT 1036
1 CD • 67min • 2012, 2013
10.02.2014
Künstlerische Qualität:
Klangqualität:
Gesamteindruck:
Klassik Heute
Empfehlung
Zuweilen erlebt man als Rezensent positive Überraschungen, so wie ich im vorliegenden Fall. Der Namen des 1961 geborenen Heidelberger Komponisten und Pianisten Martin Münch war mir zuvor noch kein Begriff. Die schlichte Aufmachung der CD-Hülle ließ mich mit einer gewißen Portion Skepsis an die Arbeit gehen und auch die traditionellen Werktitel wollten so gar nicht in das Bild dessen passen, was man gemeinhin unter „Neuer Musik“ erwartet: Märchen und Arabesken, 2. Klaviersonate, Petit morceau…
Wieder einmal hat sich der zweite Blick als der bessere erwiesen: Was für eine Poesie, was für eine Meisterschaft!
Münch kennt sein Instrument genau. Er verleugnet seine Vorbilder Skrjabin und die Impressionisten nicht, sondern führt deren Tradition fort und schreibt gerade deshalb neue Musik. Was soll daran weniger gut, weniger wertvoll sein als etwa in der Tradition Darmstadts oder Donaueschingens zu stehen?
Die Anthologie umfasst Klavierkompositionen Münchs aus einem Vierteljahrhundert. Dass in diesem Rahmen auch die frühe 2. Klaviersonate (die gelungene Talentprobe des 17-jährigen) erklingt, hat durchaus seine Berechtigung. Zugegeben, noch sehr den Vorbildern verpflichtet, zeugt dieses Stück bereits von beachtlichem kompositorischen Können und Formgefühl. Einen starken, unmittelbaren Eindruck haben die Märchen und Arabesken hinterlassen, ein „Jugendalbum“ aus 12 konzisen Stücken – teils poetisch und fantasievoll, dann wieder kraftvoll zupackend oder von feinster Rhetorik, wie etwa im vorletzten Satz, der mir besonders in Erinnerung geblieben ist. Fasziniert lauscht man Münchs zwingender Harmonik und Gestik, den Pausen und erwartet förmlich auf der Stuhlkante sitzend den nächsten Klang! Die Sechs verbotenen Trauermärsche tragen sozialkritische Satztitel, die sich auch in einer deutlich dissonanteren Faktur musikalisch widerspiegeln. Als Beispiel sei etwa das dritte Stück …über den totalitären Zwang zu hässlicher neuer Musik angeführt, in dem Münch das allgegenwärtige Topos von Düsternis und Zerfall in der Musik der Gegenwart beleuchtet, eine Musik der Extreme – dynamisch (bis hin zum puren Hammergeräusch), aber auch im Kontrast der Außenregister des Instruments. Exemplarisch manifestiert sich hier eine große Stärke von Martin Münchs Musik: sie spricht Ratio und Emotio gleichermaßen an. Ohne Hörerfahrungen zu zertrümmern, zieht sie den Hörer mit ihrer Sinnlichkeit unmittelbar in ihren Bann und lädt ganz natürlich ein, auf Entdeckungsreise zu gehen. „Leichter“ zugänglich sind die Sterl-Impressionen aus dem Jahr 2011, sechs unverstellt bildhafte Sätze nach Gemälden des bedeutenden Dresdner Impressionisten. Die Szenen aus dem südrussischen Astrachan verströmen gleichsam mediterranes Flair und wirken wie in helles Licht getaucht. Die nachdenkliche Lyrik zweier erst unlängst entstandener Miniaturen (Pour Louise und Petit morceau) rundet das Programm ab.
Mit dem französischen Pianisten Laurent Wagschal hat Münch einen kongenialen Interpreten gefunden, der einfühlsam und nuanciert alle Farben des Klaviers zum Leuchten bringt. Die Aufnahmetechnik stellt das große dynamische Spektrum der Kompositionen bei angenehmer Räumlichkeit bestens dar. Einige Wermutstropfen, die man bei einer Wiederauflage der CD vielleicht überdenken sollte, möchte ich jedoch nicht verschweigen: Vom Layout und vom äußeren Design wirkt diese Produktion etwas hausbacken: Das spartanische, nur vierseitige Booklet versorgt den Hörer gerade einmal mit dem Allernötigsten und für die Satztitel etwa der Märchen und Arabesken hat der Platz nicht mehr gereicht. „Das Auge ißt mit“ – auch bei einer CD! Nicht, dass man gleich dem Hochglanzwahn verfallen müsste, aber ein professionelleres „Outfit“ hätte dieser ansonsten wunderbaren Produktion wirklich besser zu Gesichte gestanden. Ein weiteres Minus sind die meines Erachtens zu geringen Pausen zwischen den Stücken.
Warum mich diese CD dennoch absolut begeistert hat? Martin Münch schreibt eine zutiefst ehrliche, faßliche, „menschliche“ Musik für den Menschen von heute – fernab von Moden und der Obsession, in jeder Note neu und originell sein zu müssen. Seine Musik hat mich von der ersten Sekunde an gefesselt, gepackt und berührt. Eine vorbehaltlose Empfehlung!
Heinz Braun † [10.02.2014]
Komponisten und Werke der Einspielung
Tr. | Komponist/Werk | hh:mm:ss |
---|---|---|
CD/SACD 1 | ||
Martin Münch | ||
1 | Märchen und Arabesken op. 32 | 00:22:22 |
13 | Klaviersonate Nr. 2 op. 6 Nr. 2 (Kampf um den Stil) | 00:12:12 |
14 | Sechs verbotene Trauermärsche op. 37 | 00:18:03 |
20 | Sterl-Impressionen op. 49b | 00:11:16 |
26 | Pour Louise | 00:01:22 |
27 | Petit Morceau | 00:02:00 |
Interpreten der Einspielung
- Laurent Wagschal (Klavier)