Joseph Marx
Trio-Phantasie · Lieder
cpo 777 857-2
1 CD • 62min • 2012
03.07.2014
Künstlerische Qualität:
Klangqualität:
Gesamteindruck:
Klassik Heute
Empfehlung
Nachdem er jahrzehntelang praktisch vergessen war – allenfalls noch Auszüge aus seinem Liedschaffen wurden ab und an auf die Programme gesetzt –, widmen sich seit einigen Jahren zumindest einige CD-Produktionen wieder dem Œuvre von Joseph Marx (1882–1964). Dies ist musikhistorisch keine Wiederentdeckung von bloß zufälligem Wert, weil der gebürtige Grazer, der zu einer wichtigen Figur des Wiener Musiklebens wurde, eine ausgesprochen konservative Position markiert, die der von Schönberg und seinem Kreis geprägten europäischen Moderne eine beachtliche Facette hinzufügt. Ohne große Übertreibung kann man sagen, dass man an Marx´ Werken hören kann, wie die Musikgeschichte hätte verlaufen können, wenn es keine Avantgarde gegeben hätte – in seinem späten Buch „Weltsprache Musik“ von 1964 werden Schönberg und Hindemith denn auch nicht einmal erwähnt!
Auch wenn man sich diesen Konservatismus nicht zu eigen macht, muss man doch zugestehen, dass Marx´ Werke durch ihre handwerkliche Perfektion vor technischer Kritik vollkommen gefeit sind. Beide auf dieser sorgfältigen cpo-Produktion des Hyperion Trios präsentierten Kompositionen lassen sowohl absolute Sicherheit in der Behandlung ihres Materials als auch großen Einfallsreichtum hören; bei den vier Liedern nach Texten von Anton Wildgans, mit dem Marx eng befreundet war, kommt noch eine deutlich spürbare Nähe zu Debussy hinzu, welche das österreichisch-spätromantische Idiom durch impressionistische Harmonik und unwiderstehliche Farben ergänzt; nicht zufällig wird der längste der vier Gesänge, Pan trauert um Syrinx, durch eine obligate Flöte begleitet. Auch interpretatorisch wird hier höchstes Niveau erreicht; die Sopranistin Simone Nold hat eine leichte, wunderbar biegsame, geschlossen geführte Stimme mit einem sanften Vibrato, die den Farbenreichtum, aber auch das schwebende Element dieser Lieder erlebbar macht.
Auch der Realisation der ausgreifenden Trio-Phantasie von 1914, die bisweilen wirkt wie eine verkappte Sinfhonie, hört man an, dass das Hyperion Trio große Sympathien für diese Musik hat. Gerade im Scherzando mit seiner flexiblen Agogik ist das Zusammenspiel äußerst präzise, die Musiker schwelgen – unterstützt von der angenehmen Klangregie – im spätromantischen, jedoch nie intransparent werdenden Schönklang und haben auch keine Scheu vor der tiefen, berührenden Empfindsamkeit, die sich im langsamen Satz aussingt. Mit diesem Album, wohl eine der wichtigsten Veröffentlichungen der letzten Zeit, wird ein Fenster in das Werk eines Komponisten geöffnet, der, wenn er nicht allzu parteiisch gegen die Avantgarde ausgespielt wird, als eine starke Stimme des 20. Jahrhunderts Aufmerksamkeit verdient.
Prof. Michael B. Weiß [03.07.2014]
Komponisten und Werke der Einspielung
Tr. | Komponist/Werk | hh:mm:ss |
---|---|---|
CD/SACD 1 | ||
Joseph Marx | ||
1 | Trio-Phantasie | 00:43:47 |
6 | Du bist der Garten | 00:03:22 |
7 | Durch Einsamkeiten | 00:02:50 |
8 | Adagio (Alles Tagverlangen) | 00:03:24 |
9 | Pan trauert um Syrinx (Text: Anton Wildgans) | 00:08:34 |
Interpreten der Einspielung
- Simone Nold (Sopran)
- Christoph Renz (Flöte)
- Felix Schwartz (Viola)
- Hyperion Trio (Klaviertrio)