cpo 777 659-2
2 CD • 2h 03min • 2010
22.10.2014
Künstlerische Qualität:
Klangqualität:
Gesamteindruck:
Was für ein törichtes Gesindel, was für ein Zickenkrieg! Die frivole Welt der antiken Götter eines Jacques Offenbach erscheint im Vergleich zur Oper Pomona von Reinhard Keiser geradezu rührend harmlos – ja nun, haben denn die mächtigen Herrschaften damals von der Pikanterie des Librettos nichts wahrgenommen? Denn Keisers Oper ist eigentlich ein Huldigungswerk, entstanden zur Geburtstagsfeier des dänischen Königs Friedrich IV. und uraufgeführt am 18. Oktober 1702 in Hamburg. Gewiß: die erste Szene, in der Merkur über die eheliche Treue sich recht zynisch ausläßt, wurde später weggelassen – aber das ändert nichts an der geradezu blasphemischen „Botschaft“ des Werkes.
Was sich in dieser Oper abspielt, ist zwar allegorisch dargestellt, bietet jedoch einen ernüchternden Einblick in das ach so sittsame, dabei umso verlogenere Leben der vornehmen gesellschaftlichen Kreise am Anfang des 18. Jahrhunderts. Vier Jahreszeiten wetteifern um die Gunst, wer bei dieser Feier des Königs die Trophäe erhalten soll: es ist zunächst die noch unreife Frühlings-Göttin Flora, die ihren Liebhaber Zephyrus recht kapriziös behandelt, dann die unersättliche Sommergöttin Ceres („Ach, Göttin! Es ist zuviel! Deine Gunst, die mich begleitet, überschreitet Maß und Ziel“, beklagt sich ihr Lover Jasion). Vulcanus, Symbol für Winter, hat bei dem Wettstreit eh keine Chance, auch wenn er für seine feurige Kraft wirbt; nur Pomona, die allegorische Figur für den Herbst, kann siegen, denn sie verkörpert nach einer recht turbulenten Jugendzeit nun die erhabene Tugend.
Selten kann man sich bei einer Barockoper so amüsieren, denn Reinhard Keisers Musik stellt diesen Stoff mit köstlich amüsanten Einfällen dar. Die Interpreten kosten die meist sehr kurzen Sätze besonders im Instrumentalspiel mit pointierten Effekten aus; auch die Rezitative und Arien werden von den Sängerinnen und Sängern ungemein witzig, aber nie grotesk veranschaulicht – herrlich z.B. der Auftritt von Pomona (CD 1, tr. 24-29), in dem sie den etwas angeheiterten Bacchus schlicht zur Schnecke macht, umwerfend die karikierte Stimmung in der Arie „Hoffe nur“ des Zephyrus (CD 2, tr. 16) oder das parodistische Lamento „Ihr seid’s allein“ der Flora (CD 2, tr. 28). Es ist eine hochkarätige Aufführung, in der profunde Stilkenntnisse und eine äußerst gepflegte instrumentale wie auch vokale Kultur eine optimale Wiedergabe bieten – ein Hörgenuß, dabei ständig zum Schmunzeln!
Dr. Éva Pintér [22.10.2014]
Komponisten und Werke der Einspielung
Tr. | Komponist/Werk | hh:mm:ss |
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CD/SACD 1 | ||
Reinhard Keiser | ||
1 | Pomona (Sieg der fruchtbaren Pomona, Operetta auf den Geburtstag Friedrichs IV., König von Dänemark) |
Interpreten der Einspielung
- Melanie Hirsch (Pomona - Sopran)
- Doerthe Maria Sandmann (Flora - Sopran)
- Olivia Vermeulen (Ceres - Mezzosopran)
- Magdalena Harer (Vertumnus - Sopran)
- Julian Podger (Mercurius - Tenor)
- Knut Schoch (Zephyrus - Tenor)
- Jan Kobow (Jasion - Tenor, Jupiter - Tenor)
- Raimonds Spogis (Bacchus - Bariton)
- Jörg Gottschick (Vulcanus - Bariton)
- Capella Orlandi Bremen (Ensemble)
- Thomas Ihlenfeldt (Dirigent)