Rodolphe Kreutzer
Concertos for Violin & Orchestra
cpo 555 206-2
1 CD • 72min • 2014
28.10.2019
Künstlerische Qualität:
Klangqualität:
Gesamteindruck:
Rodolphe Kreutzer? Ist das nicht der, dem Beethoven seine Violinsonate op. 47– nach dem Zerwürfnis mit George Bridgetower – ersatzweise widmete, der diese aber nie spielte, weil er sie für „ungeigegerisch“ hielt? Ja genau, diesem Schüler von Anton Stamitz und neben George Baillot und Pierre Rhode Mitbegründer der von Giovanni Battista Viotti beeinflussten jüngeren französischen Violinschule ist die vorliegende Ersteinspielung dreier Konzerte gewidmet. Um 1800 zählte Kreutzer zu den einflussreichsten europäischen Violinvirtuosen, der für seine stupende Bogentechnik, die es ihm erlaubte, selbst schnellste Passagen differenziert zu artikulieren, gerühmt wurde. Seine 40 (später 42) Études ou Caprices zählen bis heute zu den technischen Basisübungen für Geiger der angehenden Oberstufe. Für seine Auftritte bei den Pariser „Concerts spirituels“ und für seine Tourneen schrieb er zwischen 1785 und 1810 19 Solo-Konzerte, die formell dem hochklassischen Typus zugerechnet werden können. Hierbei liegt das Hauptgewicht auf dem Kopfsatz in Sonatenhauptsatzform mit Tutti- und Soloexposition. Den knapp gefassten langsamen Sätzen folgt ein spielerisches Rondo. Von seinen 40 Bühnenwerken – er war nach seiner Virtuosenkarriere und neben seiner Lehrtätigkeit am Conservatoire auch Dirigent und Direktor der Pariser Oper – wurde keine ein fester Bestandteil des Repertoires.
Wie nahtlos „Sturm und Drang“ bereits vor 1795 in Frühromantik übergehen konnte, zeigt das leidenschaftlich bewegte sechste Konzert in e-moll, das im Kopfsatz einen weiten Tonartenkreis bis hin zu f-moll und As-Dur ausschreitet. Dagegen verharren die Konzerte 1 und 7 eher im klassizistischen Dunstkreis eines Étienne Méhul oder Luigi Cherubini.
Das Süddeutsche Kammerorchester Pforzheim unter Timo Handschuh gestaltet seinen sinfonisch durchaus bedeutsamen Part im Sinne einer fein artikulierenden, vibratoarmen historisch informierten Aufführungspraxis. Das ist – auch in der Balance zwischen den Streichern und den je 2 Oboen und Hörnern – sehr fein und farbig ausgehört und elegant phrasiert und animiert jeden ähnlich stilbewussten Musiker zu partnerschaftlichem Wechselspiel.
Laurent Albrecht Breuninger geht die Werke jedoch mit großer Virtuosengeste an. Er verwendet ein zu dick aufgetragenes Dauervibrato, das die Artikulation – besonders in schnellen Passagen – verundeutlicht. Seine Phrasierung ist häufig spannungslos, da es ihm an feineren agogischen und farblichen Gestaltungsmitteln mangelt. Daneben geht er mit dem Notentext recht frei um. So spielt er Passagen, die im Originaldruck in Sechzehntel-Oktavsprüngen notiert sind, mehrfach als „geschlossene“ Achtel- Oktavgänge. Seine Kadenzen – über deren Provenienz sich das Booklet leider ausschweigt – sind bereits aufgrund ihrer Ausdehnung (5 Minuten im gut zwanzigminütigen Kopfsatz des e-moll Konzerts!) stillos. Hinzu kommen Effekte wie Tremolandi, Griffhandpizzicati und Doppelgriff-Flageoletts, die eindeutig der Trickkiste der zweiten Hälfte des 19. Jhds. entstammen und nur bei intonatorisch perfekter Ausführung funktionieren, wovon hier aber nur zu selten die Rede sein kann.
Die Aufnahme bietet guten Rundfunkstandard. Bert Hagels ist zu einem ausgezeichnet analytischen Booklet-Text mit genauen Zeitangaben zu den einzelnen Abschnitten zu gratulieren, der mich bewog, den „Gesamteindruck“ um eine Stufe aufzuwerten.
Fazit: Bei den drei erstmalig eingespielten Violinkonzerten handelt es sich um interessante, durchaus hörens- und wiederbelebenswerte Werke der Hochklassik, die Geiger, die mit den Kreutzer-Etüden „gekämpft“ haben, unbedingt kennenlernen sollten. Leider leidet diese Einspielung an einer gewissen Verständnislosigkeit des Solisten.
Thomas Baack [28.10.2019]
Komponisten und Werke der Einspielung
Tr. | Komponist/Werk | hh:mm:ss |
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CD/SACD 1 | ||
Rodolphe Kreutzer | ||
1 | Violinkonzert Nr. 6 e-Moll KWV 28 | 00:29:17 |
4 | Violinkonzert Nr. 7 A-Dur KWV 34 | 00:19:08 |
7 | Violinkonzert Nr. 1 G-Dur KWV 13 | 00:22:42 |
Interpreten der Einspielung
- Laurent Albrecht Breuninger (Violine)
- Südwestdeutsches Kammerorchester Pforzheim (Orchester)
- Timo Handschuh (Dirigent)