Kenneth Hamilton plays
Ronald Stevenson Volume 2
Prima Facie PFCD107
1 CD • 74min • [P] 2019
30.11.2019
Künstlerische Qualität:
Klangqualität:
Gesamteindruck:
Klassik Heute
Empfehlung
Auf dem Klavier liegen alle tonalen Möglichkeiten vor dem Spieler ausgebreitet – das Erlernen dieses Instruments vermittelt die notwendige ordnende Kompetenz, aber das hat auch manchmal mit Domestizierung zu tun. Was unter den Händen des schottischen Pianisten Kenneth Hamilton passiert, wirkt jedoch in denkbar bester Manier wie ein befreites Aufatmen. Sind die weiten, offenen Landschaften Schottlands und ihr rauhes Flair eine Inspiration für den kreativen Freigeist? Für sein rasant zupackendes, erfrischend spontan und intuitiv reagierendes Spiel? Das alles hat wohl auch mit einer offenkundigen Seelenverwandtschaft mit dem Komponisten Ronald Stevenson zu tun, der von 1928-2015 lebte, der spätromantische mit modernen Elementen vereinte, der kompositorische Verfahren, vor allem die hohe Kunst der Fuge wissenschaftlich ergründete und der maßgeblich den Interpreten seiner Werke persönlich prägte. Stevensons Gesamtwerk widmet Hamilton aktuell nun schon die zweite CD. Was dem Komponisten und seinem Interpreten zueigen ist: Obwohl sich beide hörbar frei fühlen in ihrem Tun, wird hier die hohe Kunst der Einverleibung vielfältiger Sujets gepflegt. Das wichtigste Anliegen dabei bleibt die Liebeserklärung ans Original!
Das Volume 2 dringt in neue, andere Richtungen vor. Damit werden gerne auch mal ruhigere, lyrischere Facetten offen gelegt. Groß ist wiederum die imaginäre Kraft: Verheißungsvoll funkeln Wasseroberflächen im Eröffnungsstück Keening Song for a Makar. Rhapsodisch, fast improvisatorisch zeugt nicht nur dieser opener von der Modernität vieler Spurenelemente aus überlieferten Musikkulturen des keltisch-nordischen Raumes. Beschwörend melancholisch baut eine Norse Elegy für Ella Nygard darauf auf und voller Stolz schreitet ein alter Choral daher. Das alles sind schon starke Impressionen gleich zu Beginn, bevor viele andere erstaunliche Wege und Umwege beschritten werden. Dass die Form der Toccata vom italienischen Wort her an die Spielfreude appelliert, wird nicht minder wörtlich genommen. Nicht zuletzt liefern hier alte schottische Folktunes die Grundlage für weitere pianistische Abenteuer.
Über all diesen spielfreudig in Szene gesetzten tonsetzerischen Verfahren, die der Interpret in eigenen Linernotes auch sehr gründlich analysiert, erheben sich melodische Bögen mit echtem Ohrwurmcharakter, wo auch einschlägige Klassiker in neuem Glanz erstrahlen: Ein Thema aus Brecht/Weills Dreigroschenoper wird einmal mehr zum Entfaltungsraum für kompositorische Intelligenz und spielerische Bravour. Feinsinnig weitergedachte, aber nie zu grell gegen den Strich gebürstete barocke Formen sind ein weiteres Thema dieses CD. Aufschlussreich und musikantisch zugleich, immer auch etwas improvisatorisch „befreit“ wirkend, bringt das Programm britische und deutsche Barock-Stile miteinander in Bezug. Den Bach-Choral: „Komm süßer Tod“ und vor allem Henry Purcells Kompositionen, die wiederum viel traditionell überliefertes Material einbinden, macht sich das produktive Duo Stevenson/Hamilton respektvoll und kreativ zu eigen. Schließlich soll „ewige“ Musik durch unverbrauchte Lesart im Heute weiter leben...
Stefan Pieper [30.11.2019]
Komponisten und Werke der Einspielung
Tr. | Komponist/Werk | hh:mm:ss |
---|---|---|
CD/SACD 1 | ||
Ronald Stevenson | ||
1 | Keening Song for a Makar (in memoriam Francis George Scott) | 00:07:19 |
2 | Norse Elegy for Ella Nygard | 00:06:01 |
3 | Chorale-Pibroch for Sorley Maclean | 00:06:11 |
4 | Toccata-Reel (The High Road to Linton) | 00:02:31 |
5 | Barra Flyting Toccata | 00:01:32 |
6 | Hebridean Seascape | 00:11:00 |
7 | Little Jazz Variation on Purcell's New Scotch Tune | 00:05:03 |
8 | Threepenny Sonatina (On Kurt Weill's Threepenny Opera) | 00:05:51 |
9 | Recitative and Air on DSCH | 00:05:49 |
10 | Komm, süßer Tod (nach Bach) | 00:03:02 |
11 | Hornpipe | 00:03:02 |
Ronald Stevenson | ||
12 | Three Grounds (nach Purcell) | 00:07:02 |
15 | Toccata (nach Purcell) | 00:05:50 |
16 | The Queen's Dolour (A Farewell, nach Purcell) | 00:03:03 |
Interpreten der Einspielung
- Kenneth Hamilton (Klavier)