Schubert
Klaviersonaten D 959 • D 960
Ars Produktion ARS 38 307
2 CD/SACD stereo/surround • 84min • 2020
16.09.2020
Künstlerische Qualität:
Klangqualität:
Gesamteindruck:
Klassik Heute
Empfehlung
Eine dunkle Felswand, davor der in einen schwarzen Mantel gehüllte Pianist und Professor an der Züricher Musikhochschule Hans-Jürg Strub im Schnee. Was ließe sich nicht alles in dieses bedeutungsschwangere CD-Cover hineininterpretieren – vom Wandern, der Winterreise über Todessehnsucht bis hin zu Schuberts möglicher Ahnung seines baldigen Todes, die er in seine letzten beiden, im September 1828 entstandenen Klaviersonaten A-Dur D 959 und B-Dur D 960 einkomponiert haben könnte. Ich möchte mich nicht an diesen Spekulationen beteiligen. Eine Sache passt für mich aber ganz und gar nicht ins Bild: Während der in Winterthur geborene Hans-Jürg Strub auf dem CD-Cover recht zügig die Felswand entlangzuschreiten scheint, nimmt sich der Pianist für seine Sicht auf diese zwei großartigen Sonaten sehr viel Zeit. So viel, dass die Einspielung auf zwei CDs verteilt ist; so viel, dass ich von einer Interpretation außerhalb der Zeit sprechen möchte, von einer Interpretation, die das Vergehen wie auch das Erstarren oder Außer-Kraft-Setzten von Zeit thematisiert.
Verharren als pianistische Gestaltungskunst
Schuberts letzte zwei Sonaten sprechen ganz unmittelbar unser Inneres an. Manche sagen, es seien Werke, die mit ihren unterschiedlichen Charakteren von den letzten Dingen erzählen. Und hierfür nimmt sich Strub die nötige Zeit. Perfekt vermittelt er zwischen Dies- und Jenseitigem, zwischen hoffnungsvoller Musizierfreude und scheinbar resignieren Wollendem, zwischen Sanglichkeit und Aufruhr, zwischen meditativen und erschütternden Momenten. Nicht, dass der Schweizer die zahlreichen musikalischen und athmosphärischen Brüche in beiden Sonaten überspielen würde. Immer wieder tun sich Abgründe auf, drohen die Hörenden aber nicht hinabzuziehen. Und das fasziniert mich ungemein an Hans-Jürg Strubs klanglich wie dynamisch so bezwingendem Zugriff. Er vermeidet Ausdrucksextreme; und doch – oder gerade deswegen (?) – geht von seinen Zustandsbeschreibungen ein für mich unwiderstehlicher Sog aus. Zielgerichtet, dann wieder tastend bis erstarrend ist seine Lesart; noch nie hat mich das Gestaltungsmittel des Verharrens oder eines – wie ich es nennen möchte – Aus-der-Zeit-Fallens bzw. die entsprechende pianistische Gestaltungskunst derart gefesselt. Strubs Schubert-Verständnis lässt tief blicken, es durchsucht jeden Winkel und ihm entgeht nichts. Dieses jedem noch so kleinen Detail nachspürende Spiel hat allerdings einen Schwachpunkt, da mir doch manches zu durchbuchstabiert klingt denn einem inneren Puls oder einer inneren Notwendigkeit folgend. Trotzdem – eine wirklich bemerkenswerte Schubert-Interpretation, die wohl niemanden ungerührt lassen dürfte.
Christof Jetzschke [16.09.2020]
Komponisten und Werke der Einspielung
Tr. | Komponist/Werk | hh:mm:ss |
---|---|---|
CD/SACD 1 | ||
Franz Schubert | ||
1 | Klaviersonate A-Dur D 959 | 00:40:46 |
CD/SACD 2 | ||
1 | Klaviersonate B-Dur D 960 op. posth. | 00:43:39 |
Interpreten der Einspielung
- Hans-Jürg Strub (Klavier)