Between Light & Darkness
Liszt
Vincent Larderet
Piano Classics PCL10201
2 CD • 1h 26min • 2020
30.12.2020
Künstlerische Qualität:
Klangqualität:
Gesamteindruck:
Klassik Heute
Empfehlung
Es ist ziemlich genau fünf Jahre her, dass ich Vincent Larderets Aufnahme der Ravel-Konzerte besprechen durfte. Was für eine großartige Einspielung! Dass ich sie auf eine Stufe mit den Aufnahmen von Arturo Benedetti Michelangeli und Krystian Zimerman gehoben habe, hat mich im Nachhinein doch noch etwas beschäftigt. Zu hoch gegriffen? Keineswegs! Larderets nun vorliegende Liszt-Aufnahme bestätigt in jeder Hinsicht meine Einschätzung des Franzosen als wahrhaft außergewöhnlichen Pianisten und Künstler. Schon das ohne so manch überstrapazierte Hits auskommende Programm zeigt: hier biedert sich niemand an, hier geht es nicht um Beifall heischendes Auftrumpfen oder zirkusreife Technikdemonstration. Ich möchte behaupten, das sorgfältig ausgewählte Repertoire ist ein Abbild sämtlicher Facetten der Klaviermusik Franz Liszts, beginnend mit „Après une Lecture de Dante“ aus den Années de Pèlerinage II (ca. 1838) und – nach einer aufwühlenden emotionalen Achterbahnfahrt – endend mit „En rêve“ aus dem Jahr 1885. Das Visionäre, Virtuose und das Asketische, dazu die mannigfaltigen Ausdrucksebenen und Stilmittel – all das findet in Vincent Larderet einen Meister rhetorisch aufgeladener Gestaltungskunst und nicht zuletzt damit den idealen Liszt-Interpreten. Er bringt nicht nur die absolute Kontrolle über sein Instrument und über sämtliche Parameter des Klavierspiels mit, sondern eine mir in dieser Ausprägung bei Liszt so noch nicht begegnete gedankliche, oder besser gesagt poetisch-philosophische Durchdringung der Werke und ihres Gehalts mit.
Kontrolle und emotionale Dringlichkeit
Überschrieben ist seine Repertoireauswahl mit „Between Light & Darkness“, wobei die dunklen und verschatteten Momente mit etwa „La Notte“, „La lugubre Gondola II“, „Nuages gris“, „Funérailles“ oder „Unstern!-Sinistre“ die hellen oder tröstlichen Momentaufnahmen deutlich überwiegen. In allem fesselt Vincent Larderet mit berückenden bis bedrückenden Stimmungsbildern und Charakterzeichnungen. Über jeden Zweifel erhaben sind seine Anschlagskultur, seine Tempo- und Dynamikgestaltung, sein jederzeit zielgerichteter Spannungsaufbau und seine unglaublich nuancenreiche Farbgebung. In erster Linie ist es aber eine ungeheure emotionale Dringlichkeit, die mich an Larderets wohl durchdachter Liszt-Deutung elektrisiert. Zwischen Virtuosität und Spiritualität, zwischen Askese und Pathos durchzieht ein zum Zerreißen gespanntes, gerade noch kontrollierbares inneres Beben sein Spiel; und deshalb ist für mich seine Liszt-Einspielung zutiefst persönlich, so unvergleichbar und einfach nur empfehlenswert.
Christof Jetzschke [30.12.2020]
Komponisten und Werke der Einspielung
Tr. | Komponist/Werk | hh:mm:ss |
---|---|---|
CD/SACD 1 | ||
Franz Liszt | ||
1 | Après une lecture de Dante S 161:7 (Fantasia quasi Sonata, aus: Années de pèlerinage duexième année – Italie) | 00:17:47 |
2 | La notte S 377a | 00:12:39 |
3 | Schlaflos! Frage und Antwort S 203 | 00:02:18 |
4 | La lugubre gondola S 200 Nr. 2 | 00:08:31 |
5 | Nuages gris S 199 | 00:03:25 |
CD/SACD 2 | ||
1 | Ballade Nr. 2 h-Moll S 171 | 00:15:53 |
2 | Richard Wagner – Venezia S 201 | 00:04:08 |
3 | Les Funérailles S 173 Nr. 7 (aus: Harmonies poétiques et religieuses) | 00:12:53 |
4 | Unstern. Sinistre. Disastro S 208 | 00:05:50 |
5 | En rêve. Nocturne für Klavier S 207 | 00:02:27 |
Interpreten der Einspielung
- Vincent Larderet (Klavier)