Journey to Geneva
Works by Frank Martin & Xavier Dayer
Solo Musica SM 345
1 CD • 58min • 2020
18.02.2021
Künstlerische Qualität:
Klangqualität:
Gesamteindruck:
Klassik Heute
Empfehlung
Die Schnittstelle für die neue CD der frankoschweizerischen Cellistin Estelle Revaz ist die Stadt Genf: Sie selbst lebt in dieser Stadt, ebenso der junge Komponist Xavier Dayer. Und vor allem war Genf die Wirkungsstätte des Komponisten Frank Martin. Mit dem Orchestre de Chambre de Genève existiert hier ein Klangkörper, der sich auf Augenhöhe mit dieser Ausnahmeintepretin bewegt – und gemeinsam ist den Musikern eine künstlerische Neugier, die aus jedem gespielten Ton spricht.
Emotionale Ausdrucksdichte
Frank Martins Cellokonzert und seine Ballade aus dem Jahr 1949 stehen auf dieser CD dem gerade erst entstandenen Stück Lignes d`Est for Cello and Orchestra von Xavier Dayer gegenüber. Aber was heißt schon Gegenüberstellung, wenn hier drei Kompositionen eine organische große Linie formen. Estelle Revaz extrem fokussiertes Cellospiel bildet über die ganze Spiellänge den kontinuierlichen roten Faden und zieht hinein in die dunklen Klangwelten dieser Aufnahme. Eine modale Skala zu Beginn liefert den Grund, auf dem hier alles aufbaut. So labyrinthisch die daraus erwachsenden Klangszenarien sind, so überwältigend die emotionale Ausdrucksdichte, so blitzen doch immer hoffnungsvolle Lichtreflexe am Horizont auf. Das alles ist Musik des 20. Jahrhunderts, die aber nie ins neutönerische oder gar Akademische abdriftet, sondern im Gegenteil, oft sogar sehr spirituell vereinnahmt. Estelle Revaz Tongebung auf dem Cello ist typisch „französisch“, was letzlich ihrer Prägung durch ihr Studium bei Jérome Pernoo in Paris zu verdanken ist: Sie bevorzugt hier nach eigenen Bekunden eher das sprechende und weniger das singende Musizierideal. All das ist die denkbar beste Basis für viele feinsinnige Interaktionen. Die spielerischen Anforderungen, allein durch oft sehr kleine Intervallfolgen und vertrackte Doppelgriffpassagen müssen extrem sein – aber das wird von Estelle Revaz und diesem hellhörigen Orchester als Dialogpartner souverän gemeistert.
Dialog zwischen Komponist und Interpretin
Nahtlos schließt sich Xavier Dayers Lignes d'Est for Cello und Orchester an. Der Titel bringt auf den Punkt, worum es hier geht. Nämlich darum, feine musikalische Entwicklungslinien zu weben und viele virtuos-rezitativische Passagen zum Sprechen zu bringen, während das Orchester mit kraftvollen Ausbrüchen und mitunter grellen Flächenklängen darauf antwortet. Diese Weltersteinspielung entstand in direktem Dialog zwischen Estelle Revaz und Xavier Dayer. Das neue Werk verneigt sich vor der Tonsprache Frank Martins, aber daraus erwächst viel aufregende musikalische Gegenwart. Die Aufnahmetechnik der CD fängt all dies lupenrein-transparent ein und lässt auch nach vielfachem Hören immer neue faszinierende Details hervor treten. Es war im Frühjahr letzten Jahres zunächst sehr unsicher, ob die Aufnahme überhaupt stattfinden würde, oder ob nicht doch kurzfristig behördliche Corona-Maßnahmen einen Strich durch die Rechnung machen würden. Estelle Revaz kämpfte und artikulierte sich, hat damit auch eine kulturpolitische Lanze für den eigenen Berufsstand gebrochen. Das wirkte und die Aufnahme konnte stattfinden. Das Resultat: Es wurde gespielt, als wenn es kein Morgen gäbe!
Stefan Pieper [18.02.2021]
Komponisten und Werke der Einspielung
Tr. | Komponist/Werk | hh:mm:ss |
---|---|---|
CD/SACD 1 | ||
Frank Martin | ||
1 | Konzert für Violoncello und Orchester | 00:25:50 |
4 | Ballade für Violoncello und Kammerorchester | 00:15:47 |
Xavier Dayer | ||
5 | Lignes d'Est für Violoncello und Orchester | 00:16:22 |
Interpreten der Einspielung
- Estelle Revaz (Violoncello)
- L' Orchestre de Chambre de Genève (Orchester)
- Arie Beek (Dirigent)