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Besprechung CD

Janáček

Piano Works
Olena Kushpler

CAvi-music 8553084

1 CD • 72min • 2020

16.01.2022

Künstlerische Qualität:
Künstlerische Qualität: 9
Klangqualität:
Klangqualität: 10
Gesamteindruck:
Gesamteindruck: 9

Für ihre zweite Solo-CD hat die aus Lwiw stammende Pianistin Olena Kushpler, Zwillingsschwester der Mezzosopranistin Zoryana Kushpler, Werke des großen mährischen Komponisten Leoš Janáček ausgesucht. Die Klaviermusik bildet eigentlich keinen besonderen Schwerpunkt innerhalb von Janáčeks Schaffen; alle größer angelegten Werke entstanden innerhalb von wenig mehr als zehn Jahren, überwiegend Charakterstücke, die sich durch einen intimen, verinnerlichen Tonfall auszeichnen, fast wie Seiten aus einem musikalischen Tagebuch. Bei den von Kushpler ausgewählten Werken handelt es sich um die beiden Zyklen Im Nebel und Auf verwachsenem Pfade (wobei sich Kushpler hier auf den ersten Band beschränkt) sowie eine Auswahl miniaturhafter Stücke aus verschiedensten Jahren, die größtenteils unter dem (nicht auf Janáček selbst zurückgehenden) Titel Intime Skizzen publiziert worden sind.

Poetisch-subtile, zurückgenommene Interpretationen

Auf verwachsenem Pfade erinnert an Janáčeks erst 20-jährig verstorbene Tochter Olga, auch wenn einige der Stücke (darunter die beiden Ecksätze des ersten Bandes) wohl bereits 1900/01, also vor ihrem Tod, entstanden. Den von stiller Trauer und Erinnerungen an Vergangenes geprägten Charakter dieser Musik trifft Kushpler vorzüglich; ihre Interpretationen betonen die zarten, zurückgenommenen, intimen Seiten der Musik. Ihre Lesart erscheint gedämpfter als etwa diejenige Rudolf Firkušnýs, stellenweise eher vergleichbar mit Leif Ove Andsnes, der aber wesentlich stärker die Extreme sucht, in den langsamen Stücken im Tempo noch stärker zurückgeht und andererseits die Passagen, in denen sich die Musik (auf kleinem Raum) dramatisch zuspitzt, erheblich forciert. Kushpler bleibt dagegen stets einer poetischen, in der Essenz stillen Linie treu, was mit dem Wesen dieses Zyklus vortrefflich korrespondiert, so etwa beispielhaft in Es stockt das Wort, wo insbesondere Kushplers sensibler Gebrauch von Rubato hervorzuheben ist. Nur in Einzelfällen wie etwa in So namenlos bange könnte die Musik von einem etwas pointierteren Ansatz profitieren (hier kreiert etwa Firkušný auf eindrucksvolle Weise eine Atmosphäre von Angst und angespannter Nervosität). Hervorheben ist auch Kushplers subtile Palette von Klangfarben, man höre etwa den Ruf des Käuzchens im abschließenden zehnten Stück.

Eher belebt als forciert

Ganz ähnliche Qualitäten zeichnen ihre Interpretation von Im Nebel aus; den zarten Beginn (dolcissimo) des ersten Stücks oder das Unschuldig-Liedhafte des dritten Stücks gelingen ihr ausnehmend gut, und die una corda-Passagen im Presto des zweiten Stücks klingen wahrhaft geheimnisvoll-nebulös. Auch hier bleibt Kushpler dort, wo sich die Musik zuspitzt, verhalten; Fortissimo-Passagen wirken in der Regel eher belebt als forciert. In Falle dieses Zyklus allerdings könnte die Musik mehr Kontrast vertragen: Janáčeks Nebel hat immer auch etwas Unheilvolles, Zwielichtiges (und kulminiert nicht umsonst in einem unsteten, zwischen Stocken und Erregung pendelnden, erst ganz am Schluss endgültig die Moll-Tonalität fixierenden Presto). Diese (deutlicher als in Auf verwachsenem Pfade ausgeprägten) Kulminationen könnte Kushpler stärker nachvollziehen; die Sechzehntelfiguren im Andante-Abschnitt des vierten Stücks etwa sind explizit mit der Spielanweisung feroce versehen.

Destillierung von Stimmungen und Momenten auf kleinstem Raum

Ganz ausgezeichnet ist ihre Einspielung der abschließenden Intimen Skizzen. Von einem Zyklus im eigentlichen Sinne kann hier natürlich keine Rede sein (die Stücke entstanden zwischen 1877 und 1928 und sind somit notwendigerweise recht heterogen); aber den überwiegenden Teil eint, wie im Rahmen aphoristischer Kürze (Der goldene Ring, vier Tage vor Janáčeks Tod entstanden, dauert lediglich 28 Sekunden) höchst atmosphärisch und sehr suggestivkräftig über kleine musikalische Gesten nachgesonnen wird, nur im Einzelfall (Damit man nie zurück könnte) im Rahmen einer dramatischen Entwicklung, oft eher einen Moment einfangend. Zusammen mit einem guten Begleittext ein sehr gelungener Abschluss eines hörenswerten Albums.

Holger Sambale [16.01.2022]

Komponisten und Werke der Einspielung

Tr.Komponist/Werkhh:mm:ss
CD/SACD 1
Leoš Janáček
1Im Nebel (vier Klavierstücke) 00:18:00
5Auf verwachsenem Pfade 00:32:38
15Kleinseiten-Palais JW VIII/31 00:00:51
16Ohne Titel JW VIII/29 00:00:49
17Melodie JW VIII/26 00:00:43
18Moderato JW VIII/21 00:01:13
19Nur blindes Schicksal? JW VIII/33/3 00:01:07
20Damit man nie zurück könnte JW VIII/33/5 00:01:26
21Der goldene Ring JW VIII/33/12 00:00:28
22Ich erwarte dich JW VIII/33/13 00:01:21
23Rondo 00:01:39
24Zum Andenken 00:01:44
25Meiner Olga 00:00:50
26Wiegenlied 00:01:14
27Eine Erinnerung 00:01:32
28Geboren ist Herr Jesus Christ 00:01:02

Interpreten der Einspielung

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