Purcell
fantazias
Chelys Consort of Viols

BIS 2583
1 CD/SACD stereo/surround • 63min • 2019
03.03.2022
Künstlerische Qualität:
Klangqualität:
Gesamteindruck:
Klassik Heute
Empfehlung
Öfter zitiert als durchdacht wird Goethes Skriptum über das Quartettspiel, man höre da „vier vernünftige Leute sich untereinander unterhalten“ und „glaubt, ihren Diskursen etwas abzugewinnen“: passiert doch in den Streichquartetten von Haydn und Mozart soviel an sprachlichem Handeln gleichzeitig, dass eher handfeste Sprachverwirrung herrschen würde.
Perfekt hingegen passt die Diskursmetapher auf das vorliegende Album mit Fantasias von Henry Purcell, dessen Musik Goethe im Rahmen der damals grassierenden Shakespeare-Begeisterung kennengelernt hat. Denn die mindestens drei, höchstens sieben Damen und Herren des englischen Chelys Consort of Viols spielen Purcells Gambenmusik so kommunikativ, wie es nur geht.
Mit großem Atem
Die melodischen Linien der Soggetti werden mit großem Atem expansiv gezogen, imitieren und antworten einander plastisch, ohne dabei je in pseudo-rhetorischen Manierismus zu verfallen. Der betörend erdig-würzige Klang des Gambenkonsorts verströmt sich in einer akustischen Umgebung, die von den Tontechnikern mit maßvollem Hall und somit ausgesprochen deutlich eingefangen wurde. Zwischen den einzelnen Stimmen bleibt Raum zum Atmen, zur individuellen Entfaltung und zum genüsslichen Auskosten der oftmals gewagten Dissonanzreibungen Purcells. Die opernhaft hochexpressiven Passagen werden rhythmisch anspringend deklamiert, die sich zueinander heterogen verhaltenden formalen Abschnitte, die in der alten Warlock-Ausgabe noch mit krassen Tempowechseln bezeichnet wurden, entwickeln sich organisch.
Perfekte Balance
So balancieren die vier Damen und drei Herren vom Chelys Consort of Viols den hohen Verschmelzungsgrad, der die Gamben auszeichnet, mit schlafwandlerischer Sicherheit gegen die Eigenständigkeit der Stimmen aus. Das führt wieder zu unserem Einsatz mit Goethe zurück. Was nämlich beim Zitieren der Diskurs-Metapher, wie er sie in einem Brief an Zelter entwarf, meist unterschlagen wird, ist nicht nur, dass Goethe 1829 eben gerade kein „Geist und Ohr“ für Kammermusik hatte (was ihn nicht daran hinderte, noch eine chauvinistische Bemerkung über „die Frauenzimmer“ unterzubringen), sondern auch die Beobachtung, dass beim Quartettspiel „die Eigentümlichkeiten der Instrumente kennen zu lernen“ sei. Es sei also die Vermutung gewagt, der Geheimrat hätte am Spiel des Chelys Consort of Viols seine Freude gehabt.
Prof. Michael B. Weiß [03.03.2022]
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Komponisten und Werke der Einspielung
Tr. | Komponist/Werk | hh:mm:ss |
---|---|---|
CD/SACD 1 | ||
Henry Purcell | ||
1 | In nomine g-Moll Z 746 (a 6) | 00:02:04 |
2 | Fantasia g-Moll Z 735 (a 4) | 00:03:22 |
3 | Fantasia B-Dur Z 736 (a 4) | 00:03:53 |
4 | Rondeau B-Dur (aus The Fairy Queen) | 00:01:22 |
5 | Fantasia F-Dur Z 737 (a 4) | 00:03:21 |
6 | Fantasia c-Moll Z 738 (a 4) | 00:04:08 |
7 | Dance for a Chinese Man and Woman (Chaconne aus The Fairy Queen) | 00:02:45 |
8 | Fantasia d-Moll Z 739 (a 4) | 00:03:40 |
9 | Fantasia a-Moll Z 740 (a 4) | 00:04:03 |
10 | Two in one upon a Ground (aus Dioclesian) | 00:02:33 |
11 | Fantasia e-Moll Z 741 (a 4) | 00:03:39 |
12 | Fantasia G-Dur Z 742 (a 4) | 00:03:11 |
13 | Fantasia d-Moll Z 743 (a 4) | 00:03:01 |
14 | Fantasia a-Moll Z 744 (a 4, Fragment) | 00:01:03 |
15 | Fantasia upon one note F-Dur Z 745 (a 5) | 00:02:50 |
16 | Fantasia d-Moll Z 732 (a 3) | 00:02:38 |
17 | Fantasia F-Dur Z 733 (a 3) | 00:02:55 |
18 | Fantasia g-Moll Z 734 (a 3) | 00:02:28 |
19 | Chacony g-Moll Z 730 für 2 Violinen und basso continuo | 00:04:11 |
20 | In nomine g-Moll Z 747 (a 7) | 00:03:20 |
Interpreten der Einspielung
- Chelys Consort of Viols (Ensemble)