Johann Kuhnau
Complete Sacred Works Vol. 7
cpo 555 399-2
1 CD • 74min • 2020
18.04.2022
Künstlerische Qualität:
Klangqualität:
Gesamteindruck:
Wer sich je mit der Geschichte der Claviermusik beschäftigt hat, dürfte auf den Namen Johann Kuhnau gestoßen sein, der als einer der Pioniere längerer Programmmusikwerke für seine „Biblischen Sonaten“ dort einen gewissen Ehrenplatz einnimmt. Kuhnau (1660-1722) war als Thomaskantor der direkte Amtsvorgänger J. S. Bachs. Gregor Meyer spielt mit seinen Ensembles Opella musica und camerata lipsiensis seit 2013 das gesamte erhaltene Vokalwerk des Komponisten ein und ist jetzt bei der siebenten und damit vorletzten Folge angelangt.
Deutscher Kirchenstil mit gelegentlich „gemischten Elementen“
Kuhnau war einer der gebildetsten Musiker seiner Zeit: Promovierter, anwaltlich tätiger Jurist, Autor satirischer Romane, Musiktheoretiker, Organist, Chorleiter, versiert in Griechisch und Latein. Er komponierte seine geistlichen Werke in einem Zwischenstil, der noch stark dem geistlichen Konzert seiner Zeitgenossen Johann Christoph Bach und Nikolaus Bruhns nahe steht, jedoch andererseits bereits den moderneren „theatralischen“ Elemente der Kantatendichtung Erdmann Neumeisters (1671-1756) nachgeht. Interessant, dass der Komponist die mehrstimmigen Abschnitte fünfstimmig mit zwei Sopranen setzt und die Bratschen gern in französischer Manier verdoppelt. Der junge Georg Philipp Telemann hat in seiner Leipziger Zeit viel von Kuhnau gelernt, wie seine Solo-Kantate Ach Herr strafe mich nicht in deinem Zorn beweist. Typisch ist hier die ariose Auflockerung des Rezitativs durch eingestreute Melismen. Die Arienformen sind zumeist noch nicht formal durch ein Da Capo abgerundet. Es überwiegen die Ritornellformen der venezianischen Oper, wie sie auch vom Amtsvorgänger Johann Schelle gern gepflegt wurden. Da sich Kuhnau scheut, die Affekte wirklich auszureizen, entsteht eine Musik, die in ihren auf Pracht angelegten Momenten durchaus mitreißen kann, der es jedoch vielfach etwas an Intimität mangelt. Eine Ausnahme ist die wundervolle Tenor-Arie mit 2 obligaten Blockflöten O Wundersohn (Track 15).
Fast perfekte Interpretation
Gregor Meyer und der camerata lipsiensis gelingt die Gestaltung der fünf Kantaten auf instrumentaler Ebene makellos. Hier wird intonationsrein, gestenreich und höchst virtuos musiziert. Das Notenmaterial wurde vom Countertenor der Opella Musica, David Erler, bereitgestellt, der die Werke auch sukzessive bei Breitkopf in Druck gibt. Die solistische Besetzung dessen, was gern als Chorsatz angesehen wird, entspricht der zeitüblichen Praxis. Hier mischt sich das Quintett ausgezeichnet. Die beiden Sopranisten sind – stimmgattungstypisch – nicht immer optimal textverständlich, was jedoch auch durch die relativ rückwärtige Positionierung verstärkt wird. Ansonsten wird mit Verstand und Geschmack gesungen. Einzig störend sind aspirierte Vokale bei Koloraturketten.
Das Booklet glänzt durch einen fachlich brillanten Kommentar des Editors und Countertenors David Erler. Zusätzlich sind alle Texte auf Deutsch und Englisch sowie die vollständige Disposition der Silbermann-Orgel wiedergegeben, was einen zusätzlichen Punkt beim Gesamteindruck ergibt. Die Georgenkirche in Rötha hat eine etwas trockene Akustik, die der Transparenz jedoch durchaus zugutekommt.
Fazit: Eine gelungene Einspielung vorbachscher Musik, die kompositorisch etwas unterkühlt und routiniert daherkommt. Kirchenmusiker, die einmal etwas Ausgefalleneres präsentieren wollen, sollten sich mit Kuhnau beschäftigen. Thematisch eine Bereicherung des Weihnachtsrepertoires. Sänger mit hohen Stimmen sollten sich auf jeden Fall Und ob die Feinde Tag und Nacht vormerken.
Thomas Baack [18.04.2022]
Komponisten und Werke der Einspielung
Tr. | Komponist/Werk | hh:mm:ss |
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CD/SACD 1 | ||
Johann Kuhnau | ||
1 | Nicht nur allein am frohen Morgen | 00:19:33 |
7 | Und ob die Feinde (Kantate zum 23. Sonntag nach Trinitatis) | 00:10:57 |
12 | Wie schön leuchtet der Morgenstern | 00:13:32 |
20 | Uns ist ein Kind geboren | 00:14:10 |
28 | Das Alte ist vergangen | 00:15:47 |
Interpreten der Einspielung
- Opella Musica (Ensemble)
- Camerata Lipsiensis (Ensemble)
- Gregor Meyer (Dirigent)