Ein süßes Deingedenken – A Tender Memory of Thee
Lieder by Fanny and Felix Mendelssohn
TYXart TXA19127
2 CD • 1h 29min • 2018
01.07.2022
Künstlerische Qualität:
Klangqualität:
Gesamteindruck:
Immer mehr gerät Fanny Hensel, die Schwester von Felix Mendelssohn Bartholdy, in den Focus der interpretatorischen Aufmerksamkeit – und das mit Fug und Recht! Ist sie ihrem Bruder doch an Zahl der Kompositionen ebenbürtig, vor allem aber an der Qualität ihrer Kompositionen. Das möchten die Sopranistin Kateryna Kasper und ihr Klavierpartner Dmitry Ablogin mit ihrer Doppel-CD nachdrücklich betonen, indem sie liebevoll und kundig eine Abfolge von Liedern beider Geschwister konzipiert haben, die eine Art musikalisches Gespräch der beiden Geschwister imaginiert: Der Titel „Ein süßes Deingedenken“ erinnert daran, wie nahe sich die Geschwister standen, so nahe, dass Felix seiner früh verstorbenen Schwester ein paar Monate später nahezu nachstarb.
Um den Gesprächscharakter zu verlebendigen, wäre es besser wäre gewesen, dass sich eine Männerstimme, vorzugsweise ein Tenor, mit der Sopranistin die Lieder aufgeteilt hätten. Und damit noch ein kleiner Kritikpunkt schon genannt sei: Bisweilen klingt die Tongebung von Kateryna Kasper etwas preziös: Da setzt sie Tonphrasen zart an, um dann die Dynamik aufschwellen zu lassen, statt die Melodie einfach fließen zu lassen.
Mit leidenschaftlichem Aufschwung
Als „hoch romantisch“ und „mutig, leidenschaftlich und unvorhersehbar“ charakterisieren die Künstler im ausführlichen Booklet die Musik von Fanny Hensel. Und wirklich: Fanny Hensel liebt leidenschaftliche Aufschwünge in der Melodik, die die Sopranistin auch lustvoll auskostet. Ein meist großer Ambitus der Gesangsstimme lässt auf tiefe Empfindungsfülle der Komponistin schließen. Oft reizt ein Wort in einem Gedicht sie zur melodischen Ausschweifung – so z. B. die „Sternennacht“ in Achmed an Irza (CD I, Track 4), die weitausschwingend wie der Sternenhimmel ausgeziert ist, oder das „Herz“ im Lied Die furchtsame Träne (CD I, Track 6). Sehr klug und literaturkundig betont Fanny Hensel melodiös weit ausgreifend in Die Mainacht von Ludwig Hölty (CD I, Track 12) in jeder Strophe ein Schlüsselwort, nämlich „traurig-traulich-einsam“, so dass dies zu einer verdichteten Aussage des Gedichtinhalts wird. Im Vergleich zu Brahms, der dieses Hölty-Gedicht ebenfalls vertont hat, ist Hensels Version reichhaltiger, gedanklich tiefer, musikalisch komplexer und raffinierter. Auch bei der Vertonung des Goethe-Gedichtes Dämmrung senkte sich von oben (CD II, Track 3) gewinnt Fanny Hensel im Vergleich mit Brahms – und das will etwas heißen.
Frei flutender tonschöner Sopran
Kateryna Kasper ist eine der seltenen Sopranistinnen, der man lange und lange zuhören kann, deren Stimme man nicht müde wird: Sie singt immer richtig auf dem Atem, spürt den vertonten Empfingen nach, lässt ihren tonschönen Sopran frei fluten und aufleuchten, kann die Höhen ganz leicht ansetzen, besticht durch genaue Artikulation und die Hervorhebung sinnbetonender Wörter – nur wünschte man sich manchmal die Konsonanten noch deutlicher, markierter. Aber immer überzeugt ihr Geschmack, die Eleganz der Tongebung, die sorgfältige Ausformung der Vokale und der reine Fluss der Stimme.
Dmytri Ablogan spielt ein Fortepiano von Alois Biber um 1835, aus dem er viele fein abschattierte Klänge holt. Mal klingt das Fortepiano wie eine Gitarre, mal wie eine Harfe, mal wogend, mal wie eine Nachtigall flötend, dann wieder hochlebendig-vollrauschend – und immer umschmeichelt er gut abgetönt die Stimme der Sängerin.
Der Toningenieur sorgt für eine ausgetüftelte Klangbalance, ist ganz nahe am Mund der Sängerin, lässt aber niemand von den beiden sich ganz in den Vordergrund schieben.
Insgesamt eine vorzügliche Darstellung der Liedkunst von Fanny Hensel und der symbiotischen Geschwisterbeziehung der beiden Wunderkinder aus der Familie Mendelssohn: Sehr zu empfehlen!
Rainer W. Janka [01.07.2022]
Komponisten und Werke der Einspielung
Tr. | Komponist/Werk | hh:mm:ss |
---|---|---|
CD/SACD 1 | ||
Felix Mendelssohn Bartholdy | ||
1 | Auf Flügeln des Gesangs op. 34 Nr. 2 | 00:03:50 |
2 | Die Liebende schreibt op. 86 Nr. 3 | 00:02:50 |
Fanny Mendelssohn-Hensel | ||
3 | Vorwurf op. 10 Nr. 2 | 00:03:06 |
4 | Achmed an Irza (Im Garten) | 00:03:20 |
Felix Mendelssohn Bartholdy | ||
5 | Venetianisches Gondellied op. 57 Nr. 5 | 00:03:24 |
Fanny Mendelssohn-Hensel | ||
6 | Die furchtsame Träne | 00:02:58 |
Felix Mendelssohn Bartholdy | ||
7 | Suleika op. 34 Nr. 4 | 00:03:18 |
Fanny Mendelssohn-Hensel | ||
8 | Harfners Lied | 00:02:15 |
Felix Mendelssohn Bartholdy | ||
9 | Frühlingslied op. 47 Nr. 3 | 00:03:38 |
Fanny Mendelssohn-Hensel | ||
10 | Wenn ich mir in stiller Seele | 00:01:17 |
Felix Mendelssohn Bartholdy | ||
11 | Der Blumenstrauß op. 47 Nr. 5 | 00:02:20 |
Fanny Mendelssohn-Hensel | ||
12 | Die Mainacht op. 9 Nr. 6 | 00:04:08 |
Felix Mendelssohn Bartholdy | ||
13 | Anderes Maienlied op. 8 Nr. 8 (Hexenlied) | 00:02:29 |
Fanny Mendelssohn-Hensel | ||
14 | Traum | 00:03:12 |
15 | Nach Süden op. 10 Nr. 1 | 00:01:52 |
16 | Sehnsucht (Ich weiß ein Tal) | 00:02:32 |
17 | Ach die Augen sind es wieder | 00:01:31 |
18 | Anklänge I (Vöglein in den sonn'gen Tagen) | 00:02:49 |
19 | Anklänge II (Ach! wie ist es doch gekommen) | 00:01:53 |
20 | Anklänge III (Könnt ich zu den Wäldern flüchten) | 00:02:17 |
CD/SACD 2 | ||
Felix Mendelssohn Bartholdy | ||
1 | Des Mädchens Klage (Nachlaß) | 00:02:18 |
Fanny Mendelssohn-Hensel | ||
2 | Wo kommst du her? | 00:02:41 |
3 | Dämmrung senkte sich von oben | 00:02:43 |
4 | Geräusch (Sehnsucht) | 00:02:20 |
5 | Nacht | 00:02:35 |
6 | Nachtwanderer op. 7 Nr. 1 | 00:03:14 |
7 | Im Herbst | 00:02:53 |
8 | Über allen Gipfeln ist Ruh | 00:01:53 |
9 | Bergeslust | 00:01:34 |
10 | Schwanenlied op. 1 Nr. 1 | 00:03:13 |
Felix Mendelssohn Bartholdy | ||
11 | Altdeutsches Frühlingslied op. 86 Nr. 6 | 00:02:53 |
12 | Schilflied op. 71 Nr. 4 | 00:02:59 |
13 | Nachtlied op. 71 Nr. 6 | 00:02:51 |
Interpreten der Einspielung
- Kateryna Kasper (Sopran)
- Dmitry Ablogin (Klavier)