Ernst Wilhelm Wolf
Selected Works for »Clavier«
cpo 555 490-2
1 CD • 72min • 2021
12.09.2022
Künstlerische Qualität:
Klangqualität:
Gesamteindruck:
Klassik Heute
Empfehlung
Diese CD beantwortet gleich zwei Fragen: 1. Wie klingt ein Tangentenflügel? 2. Wie klingt Klaviermusik des „Sturm und Drang“? Hierzu eignet sich eine Auswahl aus dem umfänglichen „Clavierwerk“ des Weimarer Hofkapellmeisters unter Herzogin Anna Amalia, Ernst Wilhelm Wolf (1735-1792). Als höchst kompetente Informantin erweist sich die ungarische Cembalistin Flóra Fábri, die ein Faible für interessante Programme zu besitzen scheint, kombinierte sie auf ihrer Debüt CD doch Werke des Wieners Gottlieb Muffat mit Händel-Suiten, zu denen sich Muffat eigene Verzierungen schrieb.
Goethe als Rufmörder
Ernst Wilhelm Wolf, der als Wunderkind galt und zeitlebens mit Carl Philipp Emanuel Bach befreundet war, kam als Organist nach Weimar und wurde von Herzogin Anna Amalie später zum Hofkomponisten befördert, nahm also eine ähnliche Stellung ein, wie sie vor ihm J. S. Bach und später Franz Liszt innehatten. Er konnte es sich sogar leisten, die Nachfolge Emanuels als Hofcembalist Friedrichs des Großen abzulehnen. Seine Zeitgenossen schätzten ihn. Goethe jedoch schmähte ihn als Possenreißer. Der Dichter tendierte eher zum Wiener als zum Berliner Stil und störte sich offensichtlich an den in einer Übersteigerung des galanten Stils schnell wechselnden Affekten der Kompositionen, die das Hauptcharakteristikum des musikalischen „Sturm und Drang“ darstellen.
Wolfs rund 60 im Druck erschienene Klaviersonaten sind stilistisch mit den mittleren Haydn-Sonaten (Esterhazy-Sonaten, Sonaten in As-Dur, c- und g-Moll) vergleichbar, jedoch technisch erheblich anspruchsvoller, da stärker ornamentiert und von ihren Affekten kontrastreicher. Seiner letzten Sammlung von 1785 stellte er ein Vorwort voran, das jedem Clavieristen empfohlen sei. In den Moll-Sonaten ereignen sich regelrechte Seelendramen mit teils wilder Chromatik. Spannend!
Virtuosa an exotischem Instrument
Flóra Fábri erweist sich als ideale Interpretin dieser spannenden Werke. Sie hat das Gespür für die Affektwechsel, versteht die ihnen zugrundeliegende Rhetorik, ist höchst flexibel in ihrer Tempogestaltung und weiß an den richtigen Stellen zu verzieren. An Cembalo oder Hammerflügel wäre dies weniger bemerkenswert. Wer aber einem exotischen Instrument wie dem originalen Tangentenflügel von 1790, auf dem die Saiten nicht mit Hämmern, sondern ähnlich wie beim Clavichord mit Holzplättchen angeschlagen werden, was jegliches Armgewicht ausschließt, solch bezaubernde Klänge mit höchster Präzision in zahlreichen Ornamenten entlocken kann, verfügt über eine wirklich transzendentale Fingertechnik.
Die Aufnahme gelang exzellent, der Booklet-Text von Wolfgang Kostuyak ist außerordentlich informativ.
Fazit: Spannende Musik, bravourös interpretiert. Pflichtkauf für Spieler und Liebhaber historischer Tasteninstrumente. Klavierstudenten, die mit ausgefallenem Material anstatt Mozart oder Haydn glänzen möchten, sollten sich die Sonaten mal durchfingern (Achtung: R. H. im Sopranschlüssel). Klare Empfehlung!
Thomas Baack [12.09.2022]
Komponisten und Werke der Einspielung
Tr. | Komponist/Werk | hh:mm:ss |
---|---|---|
CD/SACD 1 | ||
Ernst Wilhelm Wolf | ||
1 | Sonata g-Moll | 00:14:44 |
4 | Sonata B-Dur | 00:13:48 |
7 | Sonata d-Moll | 00:11:44 |
10 | Sonata F-Dur | 00:10:45 |
12 | Fantasia mit einem dreizehnmal variierten Thema | 00:21:02 |
Interpreten der Einspielung
- Flóra Fábri (Tangentenflügel)