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Besprechung CD

Sebastian George

A Lifelong Journey
Ensemble Altera Pars

Perfect Noise PN 2022

1 CD • 68min • 2022

25.06.2023

Künstlerische Qualität:
Künstlerische Qualität: 9
Klangqualität:
Klangqualität: 7
Gesamteindruck:
Gesamteindruck: 10

Bei dieser Rezension ist ein politischer Vorspann notewendig: Die Geschichte, die zum neuen Album des Ensembles Altera Pars führte, beginnt scheinbar so heimelig friedlich, wie es eben geht, nämlich zwischen altem Notenpapier. Die Musikwissenschaftlerin Dr. Larisa Vasylivna Ivchenko arbeitete in der Wernadskyi-Nationalbibliothek der Ukraine in Kiew den Katalog der Sammlung des Grafen Andrei Rasumowski auf, Mäzen und Sammler von ukrainischer Herkunft, und stieß dort auf Manuskripte des Komponisten Sebastian George (um 1740 – 1796). Während der Aufnahmen von sechs kammermusikalischen Werken aus dessen Produktion, so informiert der Einführungstext zu diesem Album in etwas unglücklicher Sprachwahl, „begann in der Ukraine ein dramatischer Krieg“. Es soll hier keinesfalls eine absichtliche Verharmlosung unterstellt werden, aber korrekt muss man von einem Angriffskrieg Russlands auf die Ukraine sprechen. Relevant ist diese Notiz im Beiheft, weil laut Künstlerbiographien einige der Musikerinnen und Musiker aus Russland gebürtig sind und sich etwa mit Benefizkonzerten für die Menschen in der Ukraine engagiert haben; so ist der Satz zu verstehen, dass „das Schicksal vieler Teilnehmer unseres Projekts persönlich berührt“ ist.

Gleichwohl fiel ein massiver Schatten über diese Produktion, der sich etwa konkret darin äußert, dass die Wernadskyi-Nationalbibliothek der Ukraine, in welcher die Sebastian George-Autographe erfasst wurde, wegen der Verhängung des Kriegsrechts seit dem 24. Februar 2022 geschlossen ist und man um das Schicksal der dort beschäftigten Menschen bangen muss.

Ein wiederentdeckter deutsch-russischer Komponist

Schwer ist es, von diesen beklemmenden Informationen zur Biographie des hier wiederentdeckten Komponisten überzuleiten. Geboren in Mainz, ging George im Alter von Mitte zwanzig zunächst nach Moskau, dann nach St. Petersburg, kehrte zwischendurch nach Deutschland zurück, verbrachte aber den entscheidenden Teil seiner Karriere in Russland. Von den biographischen Eckdaten her kann man Sebastian George ungefähr mit Carl Ditters von Dittersdorf parallelisieren, die sechs Werke, die hier versammelt sind, stammen aus den 1770er und 1780er Jahren. Damit entstanden sie in Zeitgenossenschaft zu wichtigen Einträgen von Haydn und Mozart und können somit auch mit diesen verglichen werden.

Beruhigende Allgemeinheit

Schnell stellt man beim Hören fest, dass Sebastian Georges zwei hier versammelte Sonaten, drei Quartette und ein Quintett, in eine wesentlich andere Kategorie gehören als die der genannten, aber auch anderer Zeitgenossen wie Johann Baptist Vanhal, Albrechtsberger oder Josef Myslivecek. George komponiert mit technischer Geläufigkeit hübsche, gefällige Musik, der aber jedwede Individualität in der Erfindung fehlt, der Witz Haydns etwa oder das Rebellische, das bei Mozart unter der Oberfläche rührt. Gerne, etwa im Klavierquartett B-Dur oder in der Sonate für Flöte und Pianoforte D-Dur, benutzt George harmonische Sequenzformeln, die dann in regelmäßigen Taktperioden weitergesponnen werden; nie werden die Instrumente, die von der Technik natürlich, nur ein wenig basslastig, abgebildet werden, aus ihrer Komfortzone gedrängt. Erstaunlicherweise sind es gerade diese Allgemeinheit, Formelhaftigkeit und der gänzliche Verzicht auf jedweden Affekt – selten einmal wie im Streichquartett d-moll gleiten die Sequenzen wohlig sentimentalisch hinab –, die dieser Musik eine wiederum ganz eigene Reinheit geben. Die acht Musikerinnen und Musiker vom Ensemble Alter Pars spielen mit gepflegter Tongebung – wunderbar die beiden sprudelnden Traversflöten im Quartett F-Dur und im Quintett B-Dur –, ihre unbetroffene Gelassenheit und artikulatorische Präzision geben der Musik etwas Idyllisches, ja, Utopisches: eine Kunst, die nichts will, die vollkommen selbstgenügsam in sich ruht – und somit scheinbar den Schatten der gewaltgetränkten Außenwelt zu entrinnen vermag.

Prof. Michael B. Weiß [25.06.2023]

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Komponisten und Werke der Einspielung

Tr.Komponist/Werkhh:mm:ss
CD/SACD 1
Sebastian George
1Sonata B-Dur SG V:13 für Fortepiano, 2 Violinen und Violoncello 00:12:55
4Quartett F-Dur SG VII:1 für 2 Flöten, Viola und Violoncello 00:10:09
7Quartett d-Moll SG VI:9 für 2 Violinen, Viola und Violoncello 00:12:32
10Sonata D-Dur SG V:4 für Fortepiano und Flöte 00:08:23
12Quartett B-Dur SG VII:2 für Violoncello, Flöte, Violine und Violoncello 00:13:10
15Quintett B-Dur SG VIII:4 für 2 Flöten, 2 Violinen und Violoncello 00:10:50

Interpreten der Einspielung

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