Guitar Divas
Heike Matthiesen
Ars Produktion ARS 38 355
1 CD/SACD stereo/surround • 68min • 2022
18.08.2023
Künstlerische Qualität:
Klangqualität:
Gesamteindruck:
Die Beschäftigung mit Komponistinnen und ihrer Musik ist seit geraumer Zeit sehr beliebt und hat durchaus ihre Berechtigung, denn dieser Forschungszweig wird erst dann nicht mehr benötigt, wenn Frauen und ihr musikalisches Œuvre im Konzertleben ebenso selbstverständlich präsent ist wie das der männlichen Kollegen. In den vergangenen Jahren gab es zahlreiche sehr lohnenswerte Neuentdeckungen. Die deutsche Gitarristin Heike Matthiesen hat beim Label Ars Produktion eine CD mit dem Titel „Guitar Divas“ veröffentlicht, die ausschließlich Gitarrenwerke von Komponistinnen des 19. Jahrhunderts beinhaltet. Für Matthiesen ist die Beschäftigung mit diesem Repertoire nicht nur eine praktische Angelegenheit, denn sie forscht bereits lange zu dem Thema und ist Vorstand im Archiv Frau und Musik. Den Grundstein für ihre eigene internationale Karriere legte sie, als sie nach ihrem Studium in Frankfurt Meisterschülerin von Pepe Romero wurde. Seitdem ist sie vor allem als Solistin zu hören, hat aber über die Villa Musica ebenfalls Erfahrungen in der Kammermusik gesammelt und war im Frankfurt Opern- und Museumsorchester tätig. Mit „Guitar Divas“ legt sie ihre fünfte Solo-Veröffentlichung vor, jedoch die erste bei Ars Produktion.
Von Wunderkindern und Ehefrauen
Der Untertitel der CD, „Von Wunderkindern und Ehefrauen“, bringt auf den Punkt, welche Lebensläufe bei den von ihr gewählten Komponistinnen für diese Aufnahme zu finden sind. Matthiesen, die auch den Booklet-Text verfasst hat, wählte bewusst vier Musikerinnen einer Generation, die teils im damaligen Musikleben sogar recht präsent waren, deren Werke aber von den Verlagen nicht angenommen wurden. Und so verschwanden sie und ihre Werke aus dem Gedächtnis und somit aus dem Kanon. Als Gitarren-Wunderkind kann man tatsächlich Emilia Giuliani ansehen, die Tochter des weitaus bekannteren Komponisten und Gitarren-Virtuosen Mauro Giuliani. Ihre Werke wurden teils veröffentlicht, aber leider nicht ihr ganzes Schaffen. Das erste ihrer Präludien dürfte Hörern von SWR2 bekannt vorkommen, denn mit dieser Melodie wurde lange die Musikstunde eröffnet – ohne dass ihr Name fiel. In den folgenden Variationen über ein Thema von Rossini kann Matthiesen ihr ganzes technisches Können unter Beweis stellen. Auch Anne Emmerich war Schülerin Giulianis – vielmehr ist jedoch nicht über sie bekannt. Ihre „6 Variationen für Gitarre solo“ sind ihr einziges publiziertes Werk und somit ein wichtiges Zeitdokument.
Virtuos und vielschichtig
Eine ganz andere Karriere machte hingegen Catharina Josepha Pratten, die als Catharina Pelzer in Köln geboren wurde. Ihren ersten Unterricht erhielt sie von ihrem Vater, der sie dann auch schon in jungen Jahren als Wunderkind vorstellte. Nach ihrer Heirat mit dem englischen Flötisten Robert Sidney Pratten wurde sie sogar zu einer Schlüsselfigur der englischen Gitarrenszene und unterrichtete sogar die Kinder von Queen Victoria. Zahlreiche ihrer Kompositionen sind im Eigenverlag erschienen und somit zum Glück noch erhalten. Heike Matthiesen hat sich hier einige Stücke ausgesucht, die mal für die besondere Spielart der englischen Gitarre geschrieben wurden und mal für die reguläre Stimmung. So schlägt sie den Bogen von Variationen über ein Mozart-Thema über diverse Tänze hin zum venezianischen Karneval und Paganinis berühmtem Hut mit drei Ecken. Prattens Musik kommt dabei sowohl virtuos als auch leichtfüßig und verspielt daher.
Erfolge in den USA
In andere Gefilde zieht es Matthiesen zum Ende ihres Programms: In den letzten drei Stücken widmet sie sich der Gitarristin Maria Dolores de Goni, die Madrid geboren wurde, aber ihre größten Erfolge in den USA feierte. Vor allem die Gegenüberstellung ihres „Karnevals in Venedig“ und dem von Pratten ist spannend zu hören. Ruhig klingt die Aufnahme schließlich mit ihrem „L’Adieu“ aus, auch hier meisterhaft gespielt von Matthiesen. „Guitar Divas“ ist eine in jeder Hinsicht empfehlenswerte CD, die nicht nur neues Repertoire entdecken lässt, sondern auch den vergessenen Komponistinnen wieder zu neuem Ansehen verhilft.
Verena Düren [18.08.2023]
Komponisten und Werke der Einspielung
Tr. | Komponist/Werk | hh:mm:ss |
---|---|---|
CD/SACD 1 | ||
Emilia Giuliani-Guglielmi | ||
1 | Prélude Nr. 1 | 00:01:59 |
2 | Variazioni su Non più mesta di Rossini op. 5 | 00:10:11 |
Anne Emmerich | ||
3 | Six variations pour la guitar seule | 00:10:16 |
Catharina Josepha Pratten | ||
4 | Carneval de Venise | 00:09:53 |
5 | Rambling thoughts | 00:03:23 |
6 | Queen Mab (Fairy Sketches) | 00:02:12 |
7 | Puck (Fairy Sketches) | 00:01:22 |
8 | Dance of the witches (Fantasia Grotesque) | 00:02:53 |
9 | 5th Divertimento (Variations on a theme by Mozart) | 00:05:08 |
10 | Serenade | 00:04:55 |
11 | Spanish Dance | 00:02:11 |
12 | Moorish Dance | 00:02:41 |
Maria Dolores de Goñi | ||
13 | La Jota Aragonese | 00:01:52 |
14 | Carnival of Venice | 00:04:51 |
15 | L' Adieu | 00:04:10 |
Interpreten der Einspielung
- Heike Matthiesen (Gitarre)