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Besprechung CD

Elusive Lights

Works for Cello Solo
Dorukhan Doruk

Genuin GEN 23840

1 CD • 70min • 2022

09.08.2023

Künstlerische Qualität:
Künstlerische Qualität: 9
Klangqualität:
Klangqualität: 9
Gesamteindruck:
Gesamteindruck: 9

Ohne absolute Zahlen zur Hand zu haben, dürfte der Eindruck, dass die vergangenen drei Jahre (aus leicht nachvollziehbaren Gründen) einen signifikanten Zuwachs an Alben für Soloinstrumente mit sich gebracht haben, nicht täuschen. Hier reiht sich (durchaus bewusst) auch die mit „Elusive Lights“ betitelte Debüt-CD des jungen Cellisten Dorukhan Doruk mit ein. Doruk, 1991 in Istanbul geboren, Schüler u.a. von Truls Mørk sowie Jens Peter Maintz und seit neuestem Solocellist der Düsseldorfer Symphoniker, hat darauf ein Programm von Werken für Solocello aus den letzten 100 Jahren zusammengestellt, die allesamt ein gewisses Maß an folkloristischer Prägung eint.

Exzellente Interpretation von Sayguns Solopartita

In mancher Hinsicht das Zentrum der CD bildet die Friedrich Schiller gewidmete Partita op. 31 (1955) des türkischen Komponisten Ahmed Adnan Saygun (1907–1991), deren verschattete, in eine Art vages Dämmerlicht getauchte Grundstimmung vorzüglich mit dem Titel des Albums korrespondiert. Noch vor einigen Jahren wäre sie als ziemliche Rarität durchgegangen, doch mittlerweile liegen erfreulicherweise gleich mehrere CD-Einspielungen dieses großartigen Werks vor. Doruk legt eine hervorragende, sehr charaktervolle Interpretation vor, die speziell bezüglich ihrer Expressivität Maßstäbe setzt. Sein Spiel ist spannungsvoll und kontrastreich, dabei stets improvisatorisch-frei anmutend, nachzuvollziehen etwa in der souveränen, weitläufigen Gestaltung der kantablen Linien im langsamen dritten Satz samt intensiv nachvollzogener dramatischer Zuspitzung im Mittelteil. Mustergültig gelingt die eigentümlich gedeckte, verhalten-beschwörende Stimmung des Quasi-Sicilianos des vierten Satzes und davon ausgehend die allmähliche Entfaltung der Musik im weiteren Verlauf, um am Ende wieder den Bogen zum Beginn zu schlagen. Den Schlusssatz (bzw. seinen Beginn) versteht Doruk dann konsequenterweise weniger als Kehraus als vielmehr dramatisch geschärft. Angemerkt sei, dass Doruk auf Basis des Autographs eine Urtextausgabe erstellt hat, die sich von der Druckfassung in manchen Details unterscheidet.

Expressive Darbietungen

Das älteste Werk auf dieser CD ist die Suite d-moll (1926) des spanischen Cellisten Gaspar Cassadó (1897–1966). Kreuzen sich im Präludium noch das Vorbild Bachs und Einflüsse spanischer Volksmusik, ist es in den beiden übrigen Sätzen das folkloristische Element, das klar dominiert. Doruk interpretiert das Werk wiederum dezidiert expressiv, technisch ohnehin tadellos, allerdings insgesamt doch etwas zu schwerblütig (und in der Wahl der Tempi eher auf der langsamen Seite). Die Arpeggien vor dem zweiten Poco più mosso im ersten Satz etwa begreift er nicht schimmernd-koloristisch, sondern sehr markiert und kraftvoll, die Sardana des zweiten Satzes versieht er mit viel Rubato, was den Tanzcharakter immer wieder zu stark einbremst. Eine Interpretation mit Profil, aber letztlich scheint die spielerisch blitzende Deklamatorik eines János Starker dieser Musik doch angemessener. Den Reigen der hier versammelten Cellosuiten beschließt die Suite Nr. 1 (1956) von Ernest Bloch (1880–1959), ein Spätwerk ihres Komponisten, trotz modaler Elemente längst nicht so deutlich hebräisch geprägt wie etwa Schelomo, sondern eher neobarock inspiriert. Herzstück ist hier die an dritter Stelle stehende Canzona, der Doruk eine beseelte, intim-kammermusikalische Interpretation zuteilwerden lässt; die Gigue des Finales könnte etwas leichtfüßiger genommen werden.

Repertoirebeiträge aus jüngerer Zeit

Auf eine schon länger bestehende Zusammenarbeit Doruks mit Fazıl Say (Jg. 1970) geht dessen Solosonate op. 92b (2020) zurück, ursprünglich für Bratsche und als Gedenkwerk für Ruşen Güneş komponiert. Ein relativ unmittelbar ins Ohr gehender, speziell im ersten Satz in klagendem Duktus gehaltener Zweisätzer, der freilich nicht die atmosphärische und motivische Dichte von Sayguns Partita erreicht. Eingerahmt wird das Album von zwei Stücken (La Tempesta, La Folia) von Giovanni Sollima (Jg. 1962), dessen Musik sich speziell bei jüngeren Cellisten offenbar einiger Beliebtheit erfreut. Direkte, mit allerhand Effekten arbeitende, oft rhythmisch (zumindest stellenweise auch durchaus poppig) inspirierte Musik, die auf relativ simplen Mustern (typischerweise akkordischer Natur, in der Folia einmal mehr mit der von Sollima gerne vorgenommenen Skordatur der C-Saite) aufbaut. Eine Art moderne Kabinettstücke also, denen ich am Ende doch eher etwas distanziert gegenüberstehe, gerade angesichts des reichen Repertoires für Solocello im 20. und 21. Jahrhundert (wie im Übrigen auch auf dieser CD exzellent nachzuvollziehen). In der Totalen ein (auch klanglich) sehr ansprechendes Album, dessen Höhepunkt die intensive und ausgesprochen idiomatische Interpretation von Sayguns Partita darstellt.

Holger Sambale [09.08.2023]

Komponisten und Werke der Einspielung

Tr.Komponist/Werkhh:mm:ss
CD/SACD 1
Giovanni Sollima
1La Folia 00:07:08
Ahmed Adnan Saygun
2Partita for Violoncello Alone op. 31 (To the Memory of Friedrich Schiller) 00:18:25
Fazil Say
7Sonate op. 92b für Violoncello solo (In memoriam Ruşen Güneş) 00:11:11
Gaspar Cassadó
9Suite für Cello (à Francesco von Mendelssohn) 00:17:21
Ernest Bloch
12Suite Nr. 1 für Violoncello solo 00:11:51
Giovanni Sollima
16La Tempesta 00:03:38

Interpreten der Einspielung

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