Gioachino Rossini (Audax Records)

Gioachino Rossini

Edipo a Colono

Audax Records ADX11207

1 CD • 45min • 2022

29.07.2023

Künstlerische Qualität:

Klangqualität:

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Sophokles und Rossini – wie passt das zusammen? Den Meister der antiken Tragödie und den auch auf dem Gebiet der Opera seria stets melodienseligen und charmanten Meister des Melodramma trennen historisch, gedanklich und stilistisch Welten. Nun handelt es sich bei Edipo a Colono aber nicht um eine bislang unentdeckte Oper des überaus fruchtbaren Komponisten aus Pesaro und auch nicht um eine Kantate nach dem antiken Sujet, sondern um eine Bühnenmusik zu dem gesprochenen Drama – eine Gattung, die in Italien keine wirkliche Tradition hatte und auch nicht in hohem Ansehen stand. Auftraggeber war auch kein Theater, sondern der Hydraulik-Ingenieur und Übersetzer Giambattista Giusti (1758-1829), der eine italienische Version von diesem letzten Drama des Sophokles angefertigt hatte und sie nach dem Vorbild der historischen Aufführungspraxis mit gesungenen Chören auf die Bühne bringen wollte. Welche dramaturgische Bedeutung dabei die acht Orchesterrezitative und zwei kurzen Arien des Bassisten haben sollten, ist nicht nachvollziehbar, denn es ist nicht einmal gesichert, ob eine Aufführung dieser Fassung überhaupt je stattgefunden hat.

Gelegenheitsarbeit

Für Rossini war das Ganze nur eine Gelegenheitsarbeit, die ihm offenbar nicht besonders am Herzen lag. „Ein berühmter Komponist vertonte meine Chöre, wofür ich ihn großzügig entlohnt hatte“, beklagte sich Giusti, „kurz darauf stellte ich fest, dass bei vielen Abschnitten die Begleitung fehlte. Ich wandte mich an ihn, er nahm das Manuskript zurück und seit einem Jahre habe ich es nicht mehr zurückbekommen, egal wie oft ich ihn darum gebeten habe“. Schließlich sah Rossini ein, dass die Sache seinem Ruf schaden könnte und ließ die noch fehlenden Begleitungen von einem anonymen Mitarbeiter erledigen, schließlich hatte er, mit zwei neuen Opern befasst (Il barbiere di Siviglia, La Cenerentola), Besseres zu tun. Das Ergebnis entspricht der lieblosen Arbeit. Da ist, von der Ouvertüre angefangen, nirgends besondere Einfallskraft, gar Genie zu entdecken. Die emsige Rossini-Stiftung ließ es sich dennoch nicht nehmen, durch Lorenzo Tozzi und Piero Weiss eine kritische Partitur-Ausgabe dieses marginalen Werks erstellen zu lassen, die dann 1982 beim Rossini-Festival in Pesaro nach den vom Autor gewünschten Vorstellungen aufgeführt wurde, also als Schauspiel mit Musik. Samuel Ramey übernahm damals den Bass-Part in der von Claudio Scimone dirigierten und von Glauco Mauri (der auch die Titelrolle spielte) inszenierten Produktion.

Makellose Wiedergabe

40 Jahre später hat man in Pesaro erneut einen Versuch mit Edipo a Colono unternommen, sich diesmal aber auf die komponierten Teile beschränkt, was kaum einen Sinn ergibt. Anders als bei Beethovens Egmont oder Griegs Peer Gynt bieten sich diese Stücke für eine isolierte Wiedergabe in konzertanter Form kaum an. Vor allem die spröden Rezitative stehen hier ohne den dramatischen Kontext im luftleeren Raum. Die musikalische Wiedergabe ist gleichwohl ohne Makel. Der Coro del Teatro della Fortuna und die Filarmonica Gioachino Rossini unter Fabrizio Ruggeri lassen jedenfalls mehr Sorgfalt walten als der Komponist und mit dem argentinischen Bassisten Nahuel di Pierro, der auch über die Qualitäten eines echten basso profondo verfügt, steht einer der in seinem Stimmfach derzeit besten Sänger zur Verfügung. Zur Komplettierung der Rossini-Diskographie zu empfehlen.

Ekkehard Pluta [29.07.2023]