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Besprechung CD

Solo Alone And More

Jonas Frølund

OUR Recordings 6.220681

1 CD • 74min • 2021

29.09.2023

Künstlerische Qualität:
Künstlerische Qualität: 10
Klangqualität:
Klangqualität: 10
Gesamteindruck:
Gesamteindruck: 10

Klassik Heute
Empfehlung

Auch wenn ich bei dieser CD die volle Punktzahl vergebe, muss ich alle Hörer, die mit Musik des 20. und 21. Jahrhunderts nichts anfangen können, warnen, dass sie mit dieser Einspielung wohl nicht viel Freude haben werden. Die Empfehlung des formidablen Debüt-Albums von Klarinetten-Ausnahmebegabung Jonas Frølund gilt hingegen für alle Neugierigen, die neue Klangwelten für sich entdecken möchten. Denn fragt man nach dänischen Komponisten, erhält man in Deutschland – wenn überhaupt – nur Carl Nielsen und womöglich Niels Wilhelm Gade zur Antwort.

Wenn ein Däne Dänen spielt….

Jonas Frølund hat sich neben den Drei Stücken für Klarinette solo von Igor Strawinsky, dem „Abîme des oiseaux“ (Abgrund der Vögel) aus Olivier Messiaens Quatuor pour la fin des temps und der „Traurigen Hirtenweise“ aus Wagners Tristan sechsmal für Werke dänischer Komponisten entschieden, von denen die bekanntesten Carl Nielsen und vielleicht der aktuell im angelsächsischen Raum viel gespielte Poul Ruders sein dürften.

Ob man die Kadenz aus dem Kopfsatz von Nielsens Klarinettenkonzert zum Solostück umwidmen darf, mag der Hörer selbst entscheiden. Wenn man es so wie hier bläst, überzeugt es mich durchaus. Bei Messiaen ist die Sache unproblematischer, da „Abîmes“ entstand, bevor an das Quartett überhaupt zu denken war.

Wer sich langsam in das Repertoire einhören will, sollte mit Lontanamente von Bent Sørensen beginnen, einem Walzer, der fragmentarisch durch Naturlaute dringt und sich erst gen Schluss vollständig manifestiert. Danach würde ich Tattoo for one von Poul Ruders empfehlen. Alone for basset clarinet von Mette Nielsen ist dann härtere Kost. Es entstand für eine A-Klarinette, die mit zusätzlichen Klappen um eine Terz nach unten erweitert ist, was den Klang insgesamt samtiger sowie in der Höhe gedeckter macht und für die Mozart sein berühmtes Klarinettenkonzert schrieb. Frau Nielsen arbeitet in diesem elfminütigen Werk aus dem Jahre 2021 mit avantgardistischen Klangeffekten wie Multiphonics (Bestimmte Griffe, die zum Grundton bei entsprechendem Anblasdruck Obertonakkorde erzeugen) und Singen während des Spielens. Multiphonics und Glissandi spielen auch im abschließenden De Profundis – original für Saxophon – für Bassklarinette von Simon Steen-Andersen eine Rolle. In dieser viertelstündigen Tour de Force muss der Solist noch zusätzlich einiges an Schlagwerk bedienen.

Neuer Stern am Klarinettenhimmel

Der gerade erst 25-jährige Jonas Frølund beherrscht seine vier Instrumente (A-, B-, Bassett- und Bass-Klarinette) mit stupender Virtuosität. Er verzichtet auf den leichten Weg des Einstreuens von „Zuckerln“ aus dem 19. Jahrhundert, wie etwa den Capricen von Giovanni Battista Gambaro oder den Études modernes von Auguste Périer, sondern erzählt in jedem Stück eine nachvollziehbare Geschichte. Dabei beherrscht er sämtliche Klangfarben von Samt hin zu blitzendem Stahl. Wieso ihm die „Traurige Hirtenweise“ etwas kurzatmig und mit ein paar verschmierten Griffverbindungen durchgerutscht ist, mag an ihrer vermeintlichen Einfachheit liegen. Ansonsten superbes Spiel, das mir bereits sehr positiv bei seiner Einspielung des Klarinettenquintetts von Ruders aufgefallen war. Er katapultiert sich mit diesem Debüt in die Garde der europäischen Top-Klarinettisten.

Das rein englische Booklet ist informativ, jedoch arg redselig und bedient den Nationalstolz eines kleinen, aber feinen Landes. Ich war versucht, den Kopf meiner dänischen Porzellan-Dogge mit den Worten „Ja, mit Carl Nielsen habt ihr einen der ganz Großen“ zu tätscheln. Da Interpretation und Aufnahmetechnik erstklassig sind, führt dies aber nicht zur Abwertung.

Fazit: Pflichtkauf für Klarinettisten und Liebhaber des Instruments, eine interessante Hörerfahrung für Neugierige obendrein. Diese sollten aber die 74 Minuten Spieldauer auf zwei oder drei Sitzungen verteilen und lieber einzelne Kompositionen mehrfach anhören. Mit diesen Einschränkungen klar empfohlen.

Thomas Baack [29.09.2023]

Komponisten und Werke der Einspielung

Tr.Komponist/Werkhh:mm:ss
CD/SACD 1
Carl Nielsen
1Klarinettenkonzert op. 57 (1928) 00:02:04
Igor Strawinsky
2Drei Stücke für Klarinette solo 00:04:18
Bent Sørensen
5Lontanamente (Fragmente eines Walzers) 00:06:04
Mette Nielsen
6Alone für Klarinette (Geschrieben für Jonas Frølund) 00:11:00
Olivier Messiaen
7Abîme des oiseaux (aus: Quatuor pour la Fin du Temps) 00:09:17
Gunnar Berg
8Pour clarinette seule 00:14:54
Poul Ruders
9Tattoo for One 00:07:08
Richard Wagner
10Tristan und Isolde (Solo aus dem 3. Akt) 00:03:09
Simon Steen-Andersen
11De Profundis 00:15:15

Interpreten der Einspielung

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