Georges Barboteu
Centenaire • Jeux
TYXart TXA23180
1 CD • 68min • 2022, 2023
22.03.2024
Künstlerische Qualität:
Klangqualität:
Gesamteindruck:
Klassik Heute
Empfehlung
Am 1. April 2024 jährt sich zum 100. Male der Geburtstag von Georges Barboteu, dem wohl berühmtesten französischen Hornisten des 20. Jahrhunderts. Hervé Joulain, einst Schüler Barboteus, dann sein Nachfolger am Pariser Konservatorium, hat seinem Lehrmeister anlässlich dieses Jubiläums in Form des Albums „Jeux“ eine liebevolle Hommage zuteil werden lassen: Gemeinsam mit der Pianistin Tatiana Chernichka und dem Leopold Mozart Quartett stellt Joulain einen Querschnitt aus Barboteus kompositorischem Werk vor.
Musikalisches Multitalent
Barboteu war ein musikalisches Multitalent. Neben seinem Hauptinstrument spielte er auch Kontrabass und fühlte sich im Jazz ebenso wohl wie im klassischen Repertoire. Als Komponist hat er für das Horn eine größere Anzahl von Stücken verschiedener Besetzungen hinterlassen, die hinsichtlich der technischen und gestalterischen Anforderungen zum Anspruchsvollsten gehören, was für das Instrument geschrieben worden ist. Auf dem vorliegenden Album bringt Joulain ausgewählte Etüden für Solohorn zu Gehör, von denen er vier (aus der Sammlung Etudes) zu einer Suite Concertante zusammengestellt hat. Zwei Stücke aus der Sammlung Etudes Classiques erklingen in einer Fassung mit Klavierbegleitung von Pascal Proust – der Komponist improvisierte manchmal Begleitungen, wenn er seine Schüler prüfte. Drei einsätzige Quartette für vier Hörner und die kleine Suite Noël hat Joulain in allen vier Stimmen aufgenommen und spielt mit sich selbst im Quartett – die Tontechnik macht's möglich und verteilt dabei die Hörner auf die vier Richtungen des imaginären Raums. In der Mitte des Programms steht mit Médium ein elegisches Duo für Horn und Klavier, am Ende mit dem Triptyque, einem Spätwerk, das der Komponist Joulain widmete, ein ausgewachsenes dreisätziges Quintett für Horn und Streicher. Ganz am Schluss der CD finden wir Barboteu „im Paradies“: Die zarte, behagliche Einleitung seines Hornquartetts Nr. 1 wird wiederholt, wobei die Oberstimme nun durch Ondes Martenot verstärkt wird. Leider schweigt sich das Beiheft darüber aus, wer hier an den Ondes zu hören ist.
Schöpferischer Komponist
Hört man sich in diese Musik hinein, so wird schnell klar, dass Barboteu nicht einfach nur ein komponierender Hornvirtuose war, der sich selbst wirkungsvolle Vortragsstücke auf den Leib geschrieben hat, sondern ein schöpferischer Künstler mit persönlichem Profil. Seine Musik gibt keine Rätsel auf, sondern spricht mit ihren scharf umrissenen melodischen Konturen direkt an und unterhält auf geistreiche Weise. In guter französischer Tradition pflegte Barboteu eine raffinierte, mit reizvollen Dissonanzen gespickte Harmonik. Von modernistischen Experimenten hielt er sich allerdings fern und bekannte sich stets zur Tonalität.
Freude am virtuosen Spiel
Der Titel des Albums – dem Hornquartett Nr. 2 und dem letzten Satz von Noël entlehnt – ist nicht unpassend gewählt, fasst er doch in einem Wort einen Grundzug der Musik Barboteus zusammen: die Freude am virtuosen Spiel. Wie grandios es der Komponist versteht, die klanglichen Möglichkeiten des Horn zu nutzen, zeigt sich besonders in den Solostücken: Durch Registerwechsel und Stopftechniken entstehen dialogische Effekte, die vergessen lassen, dass hier bloß ein einzelnes Melodieinstrument zu hören ist. Dass Barboteu auch für andere Instrumente trefflich schreiben konnte, zeigt das Triptyque, in dem die Streicher keineswegs nur Begleitung des Horns sind, sondern ihm als gleichberechtigte Partner gegenübertreten.
Vorzügliche Interpretationen
Aus jeder Zeile von Joulains umfangreichem Einführungstext spricht die innige Verehrung, die er dem Menschen und Künstler Barboteu entgegenbringt. Nicht anders verhält es sich mit den Aufnahmen. Man hört einem großen Musiker zu, wie er die Gedanken eines anderen großen Musikers auf vorzügliche Weise realisiert. Mit Tatiana Chernichka und dem Leopold Mozart Quartett stehen ihm Partner zur Seite, die ihn dabei bestens unterstützen.
Norbert Florian Schuck [22.03.2024]
Komponisten und Werke der Einspielung
Tr. | Komponist/Werk | hh:mm:ss |
---|---|---|
CD/SACD 1 | ||
Georges Barboteu | ||
1 | Quartetto Nr. 2 für 4 Hörner (Jeux) | 00:03:45 |
2 | Suite Concertante für Horn | 00:10:27 |
6 | Quartetto Nr. 1 für 4 Hörner | 00:03:47 |
7 | Médium für Horn und Klavier (In memoriam François Brichard) | 00:08:59 |
8 | Sologne für 4 Hörner | 00:07:12 |
9 | Suite Classique für Horn und Klavier | 00:03:20 |
11 | Noël für 4 Hörner | 00:06:48 |
14 | Étude Classique Nr. 1 für Horn | 00:02:06 |
15 | Triptyque für Horn und Streichquartett (Hervé Joulain gewidmet) | 00:20:27 |
18 | Au Paradis | 00:01:20 |
Interpreten der Einspielung
- Hervé Joulain (Horn)
- Tatiana Chernichka (Klavier)
- Leopold Mozart String Quartet (Streichquartett)