Hungarian String Trios
Leó Weiner • László Weiner • Zoltán Kodály • Ernő Dohnányi
Trio Boccherini
BIS 2107
1 CD/SACD surround • 66min • 2023
14.06.2024
Künstlerische Qualität:
Klangqualität:
Gesamteindruck:
Die Geigerin Suyeon Kang, Vicki Powell an der Bratsche und der Cellist Paolo Bonomini gründeten vor zehn Jahren in Berlin das Trio Boccherini. Ihre aktuelle Aufnahme vereint vier Komponisten, die im frühen 20. Jahrhundert – jeder auf seine Weise – zur Entwicklung eines neuen ungarischen Nationalstils beitrugen. Den Anfang macht Musik von Leó Weiner, der wegen seiner Frühbegabung und der Orientierung am spätromantischen Stil gar als "ungarischer Mendelssohn" bezeichnet wurde. Sein klar strukturiertes g-Moll-Streichtrio aus dem Jahr 1908 steht in der Tradition von Brahms. Der 23-jährige Komponist überzeugt hier mit tänzerischem Elan, kraftvollen Rhythmen und einfallsreichen Variationen. Das makellos synchrone Zusammenspiel des Trio Boccherini zeigt sich beispielweise in den energischen Synkopen des Vivace-Satzes.
Subtile folkloristische Anklänge
Auch Ernő Dohnányi studierte noch, als er seine C-Dur-Serenade für Streichtrio komponierte. Die fünfsätzige Serenade, das bekannteste Stück dieses Albums, gilt als ein Klassiker im schmalen Repertoire für die Streichtrio-Besetzung. Sie wirkt formal ausgewogen und elegant, erinnert zuweilen an Brahms, weist aber auch subtile folkloristische Anklänge auf. Das Trio genießt hier den unbeschwerten Wechsel von Stimmungen, Tempi und Formen: vom Marsch bis zur Romanze, vom Variationensatz über ein rasantes Rondo bis zur jagenden Fuge.
Zoltán Kodály komponierte kaum Kammermusik, jedoch zeugt sein frühes, fünfminütiges Intermezzo davon, dass er Volksweisen für seine musikethnologischen Forschungen sammelte. Das Trio Boccherini spielt das melodienselige und zugleich vornehme Stück mit wunderbarer Zartheit.
Romantik, Folklore, Moderne
Der jüngste und unbekannteste der hier präsentierten Komponisten ist László Weiner. Er wurde seiner jüdischen Herkunft wegen von den Nationalsozialisten deportiert und starb mit 28 Jahren in einem Arbeitslager an der Ostfront.
Aus dem Jahre 1938 stammt seine bislang unveröffentlichte Serenade für Streichtrio, die im Unterricht bei Zoltán Kodály entstand. Die Ecksätze sind motivisch dicht gewebt und zeugen von kontrapunktischer Meisterschaft; dazwischen bebt das Adagio von unterschwelligen Emotionen. Die Bratsche mit ihrem spröden, sinnlichen Ton prägt das Klangbild. Das klanglich modernste Stück dieses Albums erinnert an die konzentrierte Atmosphäre der Zweiten Wiener Schule.
In den ungarischen Klangwelten des frühen 20. Jahrhunderts trifft das Trio Boccherini den richtigen Ton zwischen romantischen Wurzeln, folkloristischen Anklängen und modernen Elementen. Ihr klarer, forscher Streicherklar schwebt mal in schillernder Farbenpracht, leuchtet dann wieder die Ecken und Kanten der dargebotenen Werke aus. Die hochwertige Audioqualität dieser BIS-Aufnahme trägt zum Hörgenuss bei.
Antje Rößler [14.06.2024]
Komponisten und Werke der Einspielung
Tr. | Komponist/Werk | hh:mm:ss |
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CD/SACD 1 | ||
Leó Weiner | ||
1 | Streichtrio g-Moll op. 6 Nr. 1 | 00:25:31 |
László Weiner | ||
5 | Streichtrio (Serenade) | 00:14:06 |
Zoltán Kodály | ||
8 | Intermezzo | 00:04:54 |
Ernst von Dohnányi | ||
9 | Serenade C-Dur op. 10 für Streichtrio | 00:19:47 |
Interpreten der Einspielung
- Trio Boccherini (Streichtrio)