Hjalmar Borgstrøm
Symphonic Poems
Trondheim Symphony Orchestra • Eivind Aadland
cpo 777 491-2
1 CD • 65min • 2009
29.07.2024
Künstlerische Qualität:
Klangqualität:
Gesamteindruck:
Der Norweger Hjalmar Jensen (1864‒1925) wurde in Christiania – dem heutigen Oslo – geboren und nahm als Komponist, um Verwechslungen mit einem Namensvetter zu vermeiden, den Nachnamen seiner Mutter an: Borgstrøm. Nach anfänglichen Studien in seiner Heimat – u. a. bei Johan Svendsen – ging er 1887 nach Leipzig zu Reinecke und Jadassohn. Von deren Unterricht profitierte er wenig, wurde durch Konzert- und Opernbesuche jedoch zum glühenden Wagnerianer. Nach seiner Rückkehr betätigte er sich in Oslo auch als Kritiker, lebte dann ab 1890 für dreizehn Jahre in Leipzig und Berlin, wo er enge Kontakte zu Ferruccio Busoni unterhielt, der so Widmungsträger seiner Tondichtung Hamlet wurde. Neben zwei Opern dürfen mehrere solcher programmatischen Orchesterstücke als Hauptwerke des Komponisten gelten. 2018 erzielte die junge Geigerin Eldbjørg Hemsing mit der „Wiederentdeckung“ des – allerdings bereits vorher als kommerzielle Aufnahme vorliegenden – Violinkonzerts einen vielbeachteten Erfolg.
Tanken (Der Gedanke) – eine großformatige Tondichtung
Borgstrøms letzte, fast dreiviertelstündige Tondichtung Tanken (Der Gedanke) entstand 1916, also mitten im Ersten Weltkrieg. Die fünf Abschnitte, denen bei der Uraufführung im Januar 1917 ein rezitierter Prolog vorausging, schildern den Weg des Gedankens von seiner Zeugung im Weltraum über die Pervertierung durch menschliche Begierde bis hin zum Zerbersten des Erdballs und seiner Rückkehr ins All. Das ist massiv und komplex instrumentiert, erinnert trotz gewisser Annäherungen an Richard Strauss (Zarathustra) dann doch mehr an Wagner; die Ambosse im 5. Abschnitt verkörpern materialistischen Zwang. Etwas überraschend, dabei zeitlich nur noch wenig entfernt von den echten „Bad Boys of Music“ – namentlich Antheil, Varèse oder Hindemith – wird die Zerstörung des Planeten dann unverhohlen von lautem Sirenengeheul angekündigt. An die klangliche Delikatesse etwa von Josef Suks gleichzeitig geschriebener Tondichtung Zraní reicht Borgstrøm jedoch bei Weitem nicht heran, auch wenn dem Trondheim Symphony Orchestra unter Eivind Aadland eine differenzierte, stellenweise überwältigende Darbietung gelingt. Gewisse Längen vor allem durch das Insistieren auf gewissen Begleitmustern im Orchestersatz können aber selbst hier nicht überspielt werden.
Jesus in Gethsemane
In direkter Beziehung zum Text der biblischen Vorlage hingegen steht die Musik der Tondichtung Jesus in Gethsemane (1904). Die Neuaufnahme schlägt hierbei die Einspielung von 2008 zumindest aufnahmetechnisch deutlich. Man muss dem Verfasser des Booklettexts, Eckhardt van den Hoogen, nicht nur für eine erhellende Recherche über den Komponisten danken, sondern insbesondere dafür, dass er sowohl Borgstrøms Programmentwurf dazu als auch den Prolog zu Tanken mit abdrucken ließ, was das Hörverständnis erleichtert. Nur in einem Punkt irrt er: Tanken ist ebenso keine Erstaufnahme, sondern erschien schon 1991 auf einer leider vergriffenen CD des Norwegischen Kulturrats. Wer sich für die Entwicklung der symphonischen Dichtung bis ins 20. Jahrhundert hinein interessiert – cpo hat ja z.B. auch die Musik von Emil Nikolaus von Reznicek wiederbelebt –, kann hier bedenkenlos zugreifen, obwohl Borgstrøms Werke nicht wirklich zur Spitzengruppe der Gattung gehören, dafür recht persönliche Aspekte zur Geltung kommen lassen.
Vergleichsaufnahmen: [Tanken] Bergen Filharmoniske Orkester, Karsten Andersen (Norsk Kulturråds Klassikerserie NKFCD 50026-2, 1989); [Jesus i Gethsemane] The Symphony Orchestra of NorrlandsOperan, Terje Boye Hansen (Simax PSC 1311, 2008).
Martin Blaumeiser [29.07.2024]
Komponisten und Werke der Einspielung
Tr. | Komponist/Werk | hh:mm:ss |
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CD/SACD 1 | ||
Hjalmar Borgstrøm | ||
1 | Tanken op. 26 (Sinfonische Dichtung) | 00:42:50 |
6 | Jesus i Gethsemane op. 14 (Sinfonische Dichtung) | 00:22:15 |
Interpreten der Einspielung
- Trondheim Symphony Orchestra (Orchester)
- Eivind Aadland (Dirigent)