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Besprechung CD

Heinz Winbeck

Lebensstürme

Sonus Eterna 37423

1 CD • 55min • 2012

23.08.2024

Künstlerische Qualität:
Künstlerische Qualität: 10
Klangqualität:
Klangqualität: 9
Gesamteindruck:
Gesamteindruck: 9

Der Komponisten Heinz Winbeck (1946 -2019) stand Zeit seines Lebens nicht so sehr im Rampenlicht – vermutlich, weil er sich den zeitgeistigen Moden verweigerte, sich dafür aber umso kompromissloser der Wahrheit der eigenen inneren Empfindungen stellte. Seine orchestrale Bearbeitung von Franz Schuberts Lebensstürme-Zyklus ist jetzt auf CD erschienen und lässt Vergangenheit und Gegenwart in einem großen Spannungsbogen zusammenfließen. Die Innenwelt, in der es auch stürmisch zugeht, war auf jeden Fall Heinz Winbecks Sache, wie er es selber zum Ausdruck brachte: „Ich bringe buchstäblich nur das zu Papier, das, würde ich es nicht tun, mich zersprengte."

Die Aufnahme, erschienen bei Sonus Eterna, dokumentiert eine Aufführung, die unter der Leitung von Dennis Russell Davies mit dem Basel Sinfonieorchester und dem Bariton Martin Achrainer eingespielt wurde. Im Mittelpunkt des Programms steht der ursprünglich für vierhändiges Klavier komponierte Sonatensatz Lebensstürme (D 947), den Winbeck für Orchester neu arrangiert hat. Ergänzt wird diese Orchestrierung durch das Klavierstück Rondeau brillant (D 823) sowie durch einige Tänze. Vor allem aber bereichern ausgewählte Lieder von Franz Schubert die Dramaturgie, darunter Im Abendroth, Sehnsucht, An mein Herz, Waldesnacht und Herbst.

Wesensverwandschaft

Musik als Metapher für den inneren Aufruhr und für die unausweichlichen Kämpfe des menschlichen Daseins – solche Assoziationen beim Hören belegen die Wesensverwandtschaft zwischen dem großen Romantiker Franz Schubert und Heinz Winbeck, eine der herausragenden, wenn auch „stilleren" Stimmen der Nachkriegsmoderne. Klar erkennbar ist Winbecks zentrales Anliegen, Schuberts Musik in seiner eigenen Tonsprache zu reflektieren, ohne dabei der Versuchung zu erliegen, die Original durch moderne Effekthascherei anzutasten oder geschmäcklerisch zu verwässern. Im Gesamtkontext gelingt es somit, der Schubertschen Ausdruckswelt neue, heutige Kontexte hinzuzufügen bei Erhaltung und Bekräftigung des Wesenskerns.

Eigene Diktion

Nur sparsame zusätzliche Instrumentierungen erlaubte sich Winbeck in den Liedern. Umso mehr gestalterische Wucht entfalten die neuen Zwischenspiele als inszenierte Stimmungswechsel als Übergänge in etwas anderes, vielleicht emotional Konträres. Was Schubert oft mit ganz zarten Tonartenwechseln hinbekommt, beantwortet Winbeck in einer eigenen betont orchestralen Diktion, zu der abrupte rhythmische Wechseln und auch dissonante Harmonieverläufe, mit denen Schubert „weitergedacht“ wird, als Stilmittel fungieren.

Ein herausragendes Beispiel dafür ist gleich der zweite Track auf dieser CD, eine Fuge, welche Winbeck als Bindeglied zwischen dem Lied Oh wie schön ist deine Welt und dem beklemmenden Die Scheibe friert kreiert hat. Getrieben von drängenden Synkopen und einem subtilen Schlagwerk, baut sich immer mehr dramatische Spannung auf, die schließlich in einem mächtigen Orchestercrescendo alles zu verschlingen droht. Winbeck erweiterte Schuberts Lebensstürme nicht nur durch selbst komponierte sinfonische Intermezzi, sondern ergänzte das Programm um weitere Schubert-Kompositionen, darunter ausgewählte Lieder und das Rondeau brillant (D 823).

Tiefgründige emotionale Struktur

Die Interpretation des Basel Sinfonieorchesters unter Dennis Russell Davies bringt sämtliche feinen Schichten der Komposition meisterhaft zur Geltung. Davies, ein Dirigent, der Winbecks Werk wie kaum ein anderer versteht, hebt die subtile Dramaturgie und die tiefgründige emotionale Struktur der Musik hervor. Der Bariton Martin Achrainer trägt maßgeblich dazu bei, dass die emotionale Kraft des Werkes unmittelbar spürbar wird. Beeindruckend sind immer wieder jene Momente, in denen nach mächtigem Orchestertutti plötzlich wieder die Hörbühne allein für diesen strahlkräftigen Sologesang bereitet ist, der mit vielen emotionalen Farben gepaart mit bestechender Klarheit für vokale Überzeugungskraft sorgt.

Die Lebensstürme-CD kann als idealer Hör-Einstieg fungieren, um von hier aus tiefer in das Œuvre dieses Komponisten vorzudringen. Der einfühlsam und kenntnisreich geschriebene Booklet-Text von Norbert Florian Schuck bietet eine weitere informative Hilfestellung, ebenso wie die Cover-Fotos mit ihrer einsamen, kargen Winterlandschaft und dem etwas „verwunschen" anmutenden Haus des Komponisten das hier mit allen Sinnen spürbare künstlerische Anliegen versinnbildlichen.

Stefan Pieper [23.08.2024]

Komponisten und Werke der Einspielung

Tr.Komponist/Werkhh:mm:ss
CD/SACD 1
Heinz Winbeck
1Lebensstürme 00:55:07

Interpreten der Einspielung

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