Rogier Michael
Christvesper Dresden 1624
Historia von der Geburt unsers Herren Jesu Christ
cpo 555 698-2
1 CD • 67min • 2024
11.11.2024
Künstlerische Qualität:
Klangqualität:
Gesamteindruck:
Klassik Heute
Empfehlung
Wer sich am singulären Weihnachtsoratorium von J. S. Bach satt- oder gar abgehört haben sollte und die Weihnachtshistorie von Heinrich Schütz auch bereits auswendig kennt, dem bietet das Ensemble Polyharmonique unter Alexander Schneider jetzt eine schlichtere Alternative in Form der Historia von der Geburt unseres Herrn Jesu Christi von Schützens Amtsvorgänger am Dresdner Hof, Rogier Michael, der mit Orlando di Lasso als einer der letzten Repräsentanten der franko-flämischen Schule gilt. Diese bildet den quasi-liturgischen Kern einer fiktiven Christvesper, wie sie um 1624 stattgefunden haben könnte.
Was zu einfach aussieht, muss man informiert aufpeppen
Schaut man auf IMSLP in die 23 Partiturseiten von Michaels Historia, könnte dies ernüchternd wirken. Der Historicus, wie der Evangelist hier benannt ist, nutzt den Rezitationston, ist also noch langweiliger als derjenige in den a-capella Passionen von Schütz. Wer sagt aber, dass die Organisten nicht auch damals schon entweder einen Bordunton oder einen akkordischen Satz unterlegten, wie wir ihn als Begleitung des gregorianischen Chorals aus wenig späteren Traktaten kennen? Somit wäre die Angelegenheit schon einmal belebt. Wenn man jetzt noch zwischen Laute, Orgel und Harfe alterniert, kommt sogar Farbe ins Spiel. Die handelnden Personen sind durch mehrheitlich akkordische Sätze für zwei und mehr Stimmen vertont. Warum also nicht die Standard-Regeln für Verzierungen anwenden für die mehr als ausreichend zeitgenössische Anweisungen zur Verfügung stehen? Instrumente mitgehen zu lassen oder Stimmen durch diese zu ersetzen, entspricht ebenfalls der sogenannten Kantoreipraxis dieser Zeit. Garniert man das Ganze noch mit Motetten aus dem ersten Drittel des 17. Jahrhunderts und verwendet für die Choräle Samuel Scheidts Görlitzer Tabulaturbuch erhält man eine sehr stimmige, wenngleich eher introvertierte Musik für die Weihnachtszeit.
Liebevolle Gestaltung
Mit persönlich gefällt diese etwas schnörkellosere, stille Ausführung einer Weihnachtsmusik ausnehmend gut. Das Ensemble Polyharmonique verbirgt hier große Kunst in natürlicher Schlichtheit. Alles wirkt naturgemäß höchst professionell, aber diese Professionalität hat nichts Demonstratives. Sie wirkt ganz einfach selbstverständlich aus sich heraus. Dabei sollte niemand glauben, dass das perfekte, uneitle Musizieren relativ einfacher Werke nicht höchster Konzentration bedürfe, von der sorgfältigen Planung der klanglichen Mittel einmal ganz abgesehen.
Die Entfaltung des Klanges im Raum wurde hervorragend abgebildet. Die Anmerkungen zur Aufführungspraxis im Booklet-Text treffen den Nagel auf den Kopf.
Fazit: Wunderbar stimmige, intime, introvertierte Weihnachts-CD, die bei mir wohl dieses Jahr den ansonsten heißgeliebten Praetorius-Bombast mit dem Gabrieli Consort unter Paul McCreesh zumindest ergänzen, womöglich auch ersetzen wird. Definitiv dicke Empfehlung!
Thomas Baack [11.11.2024]
Komponisten und Werke der Einspielung
Tr. | Komponist/Werk | hh:mm:ss |
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CD/SACD 1 | ||
Rogier Michael | ||
1 | Historia von der Geburt unsers Herren Jesu Christi (Christvesper Dresden 1624) | 01:06:42 |
Interpreten der Einspielung
- Ensemble Polyharmonique (Vokalensemble)
- Alexander Schneider (Leitung)