Antonín Dvořák
String Quartets Vol. 5
Vogler Quartett

cpo 555 672-2
2 CD • 74min • 2021, 2023
27.01.2025
Künstlerische Qualität:
Klangqualität:
Gesamteindruck:
Mit der fünften Doppel-CD beendet das seit 1986 in unveränderter Besetzung bestehende Vogler-Quartett seine Gesamteinspielung der Streichquartette Antonín Dvořáks für cpo. Auf dem Programm stehen die Quartette Nr. 1, 7 und 11 sowie die beiden Walzer op. 54 (hier mit dem Ad-libitum-Kontrabass eingespielt), bei denen es sich um eigene Arrangements Dvořáks aus einem Zyklus von Klavierwalzern handelt.
Entwicklungen über 20 Schaffensjahre hinweg
Die drei hier eingespielten Quartette repräsentieren unterschiedliche Perioden im Schaffen Dvořáks: das Quartett Nr. 1 A-Dur op. 2, entstanden 1862, ist eines seiner frühesten Werke überhaupt, noch drei Jahre älter als die Sinfonie Nr. 1 oder das Cellokonzert A-Dur, das teilweise Thematik aus dem Quartett wiederverwendet. Hier setzt sich der junge Dvořák mit allerlei Vorbildern wie Beethoven, Mendelssohn oder Schumann (noch nicht jedoch Wagner) auseinander, übt sich in zyklischer Gestaltung; auch nach erheblichen Kürzungen im Rahmen der Publikation 1887 bleibt es immerhin noch ein Vierzigminüter. Bei alledem blitzen (wie überhaupt in den genannten frühen Werken) doch immer wieder Charakteristika auf, die man auch in Dvořáks späterem Schaffen wiederfindet. Das Quartett Nr. 7 a-moll op. 16, 1874 binnen lediglich elf Tagen komponiert, ist dasjenige, mit dem Dvořák dann nach Jahren des Suchens seinen reifen Stil der „slawischen“ Periode etablierte, während das Quartett Nr. 11 C-Dur op. 61 (1881) eine Reihe von ausdrücklich konflikthafteren Werken der 1880er Jahre wie das Klaviertrio Nr. 3 oder die Sinfonie Nr. 7 einläutet.
Besonderer Fokus auf dem Konflikthaft-Expressiven
Die bisherigen Folgen der Dvořák-Integrale des Vogler-Quartetts sind überwiegend sehr positiv aufgenommen worden, und zweifelsohne handelt es sich um spiel- und klangtechnisch hochklassige Einspielungen eines souverän aufeinander abgestimmten Ensembles. Dies geht u.a. mit agogischen Freiheiten (gerne in den kurzen Solopassagen speziell der ersten Violine), kleineren Freiheiten in der Tempogestaltung (die Grundtempi sind dabei in der Regel eher moderat) oder auch da und dort eingebauten Portamenti einher. Wenn bei mir (auf Basis dieses Albums) am Ende doch eher ambivalente Eindrücke dominieren, dann liegt das in erster Linie am grundsätzlichen Ansatz des Quartetts, an seinem Verständnis dieser Werke. Das Vogler-Quartett interessiert sich in besonderem Maße für das dramatisch-passionierte Element in Dvořáks Musik, für die Konflikte, die ihr innewohnen. Und so geht sein fraglos sehr sorgfältiges Studium der Partituren etwa damit einher, dass zahlreiche kleinere dynamische Nuancen und Sforzati in aller Deutlichkeit herausgearbeitet werden, für meine Begriffe allerdings wenigstens teilweise über die Grenze zum Ruppigen, Harschen, allzu Expliziten hinaus.
Beim an Schuberts Quintett angelehnten gesanglichen Es-Dur-Seitenthema im ersten Satz des Quartetts Nr. 11 betont das Ensemble die polyphonen Strukturen (grundsätzlich eine Tugend), wodurch hier allerdings die kantable Linie an Kontur verliert. Auch wenn man das Klischee des „böhmischen Musikanten“ aus guten Gründen problematisieren will, so zeichnet sich Dvořáks Musik eben doch besonders durch ihr sangliches Melos, ihren Charme und (gerade in diesem Zusammenhang) ihre Zwischentöne aus, bei denen sich Stimmungen auf ganz exquisite Weise miteinander vermengen, nebeneinander bestehen. Dies aber gerät beim „expressionistischen“ Ansatz des Vogler-Quartetts für meine Begriffe zu stark in den Hintergrund.
Das Adagio des ersten Quartetts als Höhepunkt
Dies gilt auch für ein Werk wie das Quartett Nr. 11, denn selbst wenn hier stärker als in manchen anderen Stücken Spannungen eine Rolle spielen, bleibt es doch in vielerlei Hinsicht unverkennbar ein Werk seines Schöpfers. Ob etwa das Pendeln zwischen e-moll und C-Dur im Finale wirklich so kämpferisch anmutet wie im (allerdings prinzipiell lesenswerten!) Begleittext suggeriert, würde ich mit einem Fragezeichen versehen. Es sei dabei freilich betont, dass man über das ganze Album hinweg immer wieder Passagen vorfindet, die dem Vogler-Quartett ausgezeichnet geraten, etwa den Beginn des langsamen Satzes des Quartetts Nr. 11 oder die pastorale, leicht melancholische Atmosphärik ab Takt 285 im Kopfsatz des Quartetts Nr. 1. Dagegen fehlt dem Scherzo des Quartetts Nr. 7 das Leichte, Federnde, u.a. wegen des ziemlich hart begriffenen Motivs aus drei Sechzehnteln, das hier eine wichtige Rolle spielt. Insgesamt am überzeugendsten wirkt die Lesart des Quartetts Nr. 1, speziell seiner Binnensätze. So gelingt dem Vogler-Quartett im eigentümlichen, fast fiebrig anmutenden, an den zweiten Satz von Beethovens Quartett op. 18 Nr. 1 angelehnten langsamen Satz eine exzellente, sehr stimmige Interpretation: hier greift alles wunderbar ineinander, wird das unterschwellige Drama dieser Musik vorzüglich realisiert. Ein Album also, das durchaus eigene Akzente setzt.
Holger Sambale [27.01.2025]
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Komponisten und Werke der Einspielung
Tr. | Komponist/Werk | hh:mm:ss |
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CD/SACD 1 | ||
Antonín Dvořák | ||
1 | Streichquartett Nr. 7 a-Moll op. 16 | 00:30:05 |
5 | Streichquartett Nr. 1 A-Dur op. 2 B 8 | 00:40:28 |
CD/SACD 2 | ||
1 | Streichquartett Nr. 11 C-Dur op. 61 | 00:40:34 |
5 | Walzer A-Dur op. 54 Nr. 1 B 101/1 | 00:03:47 |
6 | Walzer a-Moll op. 54 Nr. 2 B 101/2 | 00:03:09 |
Interpreten der Einspielung
- Vogler Quartett (Streichquartett)
- Frithjof-Martin Grabner (Kontrabass)