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Besprechung CD

Antonio Smareglia

Nozze Istriane

cpo 555 686-2

2 CD • 1h 45min • 2024

07.04.2025

Künstlerische Qualität:
Künstlerische Qualität: 8
Klangqualität:
Klangqualität: 7
Gesamteindruck:
Gesamteindruck: 8

Der Komponist Antonio Smareglia (1854-1929) stammte aus dem heute kroatischen Pula auf der Halbinsel Istrien, das durch die Venezianer italianisiert wurde, bis 1918 jedoch zu Österreich-Ungarn gehörte. Er wuchs dreisprachig auf, da seine Mutter Kroatin, der Vater Italiener und die Schulsprache in Wien und Graz, wo er das Polytechnikum besuchte, deutsch waren. Seine Nozze Istriane (Istrianische Hochzeit) spiegelt diese kulturelle Prägung wider. Das Melos ist durchaus italienisch, ergänzt mit Zitaten von kroatisch-dalmatinischer Folklore, die Orchesterbehandlung ist jedoch eher sinfonisch und klanglich von Wagner beeinflusst.

Barbier von Sevilla mit tödlichem Ausgang

In Musikerkreisen existiert die Scherzfrage: „Kannst Du mir die Handlung einer Verismo Oper in einem Satz beschreiben?“ Die wohlerzogen-jugendfreie Antwort lautet: „Tenor möchte mit dem Sopran intim werden, wird aber vom Bariton oder Mezzo daran gehindert.“ So ist es auch bei den Nozze Istriane, deren Libretto von Luigi Illica stammt, der auch die Textbücher zu Bohème, Tosca, Andrea Chénier u.a. verfasste.

Marussa (Lirico-Spinto-Sopran) liebt den Habenichts Lorenzo (Spinto-Tenor mit exzellenter Kondition wegen einer sich durchweg in der Oberoktave bewegenden Tessitura), was ihrem Vater, dem neureichen Geizhals und Misanthropen Bara Menico (Charakterbass, der Name ist ein Anagramm zu „nemico“ = Feind) selbstverständlich nicht recht ist. Der wohlhabende Nicolo (Kavaliersbariton) wiederum liebt Marussa. Diesmal ist nicht der Friseur der Drahtzieher der Intrige, sondern der schlitzohrige Dorfmusikant und Heiratsvermittler Biagio (Bass-Bariton), der an Kezal erinnert. Gemeinsam mit Menico filzt er zu Beginn des zweiten Aktes Marussas Habseligkeiten, wobei auffällt, dass ein von der Mutter ererbtes goldenes Herz fehlt. Der Ohrring, den sie dafür als Liebespfand von Lorenzo erhalten hat, findet sich hinter dem Marienbild. Also verspricht man Luze, einer armen Frau aus dem Nachbarort, die sich mit dem Verkauf von Walderdbeeren kümmerlich durchschlägt, einen Job mit festem Einkommen, wenn sie Lorenzo den Ohrring zurückbringt und ihn davon überzeugt, dass Marussa jetzt Nicolo liebt und diesen heiraten will. Im dritten Akt fliegt die Intrige dann auf, Marussa und Lorenzo versichern sich am Abend der Verlobung mit Nicola ihrer Liebe. Sie bittet den Verlobten, sie von ihrem Eheversprechen zu entbinden, was dieser jedoch ablehnt, da er nicht als der Dorftrottel dazustehen gedenkt. Lorenzo hat alles aus einem Versteck mit angehört und stürzt sich mit gezücktem Messer auf den Rivalen. Nicola ist jedoch gewandter und trifft Lorenzo tödlich. Allgemeine Betroffenheit der Umstehenden. Der Vorhang fällt schnell.

Eklektische Komposition

Smareglia durchmischt ein weites Spektrum unterschiedlicher Stile. Das Vorspiel zum ersten Akt, das den Hörer mit den wichtigsten Motiven bekannt macht, kontrastiert Moll-Diatonik mit Tristan-Chromatik und Modulationen wie sie Max Reger nicht raffinierter hätte erfinden können. Das Gewitter der ersten Szene beeindruckt durchaus, trägt bloß nichts zur Handlung an sich bei. Interessant die Zitate dalmatinischer Tänze. Sehr effektvoll sind die Aktschlüsse gestaltet. Allerdings fehlt dem Werk bei allem melodischen Reichtum ein „Reißer“ der Vissi d’arte- oder Vesti la giubba-Klasse, sodass man sich dessen hinterher noch erinnert.

Die Premiere in Triest war 1895 mit den beiden größten Sängerstars der „Giovane Scuola“ Gemma Bellincioni und Roberto Stagno besetzt, die zuvor Mascagnis Cavalleria rusticana zum Triumpf geführt hatten.

Interpretation mit Schönheitsfehlern

Simon Krečič und sein Team aus Rijeka bemühen sich nach Kräften um diesen kroatisch beeinflussten Stoff. Leider macht ihm zunächst einmal die Aufnahmetechnik einen Strich durch die Rechnung, die das Orchester zu dumpf in den Hintergrund verbannt. Sängerisch positiv fallen der geschmeidige Filippo Polinelli als Biagio und Giorgio Surian als brummiger, übellauniger, rauhstimmiger Menico auf. Nicola (Jure Pokaj) könnte als Bariton-Liebhaber etwas sinnlicher klingen. Allerdings gibt ihm der Komponist auch nicht gerade viel Gelegenheit dazu. Jorge Puerta muss zusehen, wie er die extrem unangenehme Tessitura der anstrengenden Partie des Lorenzo überhaupt bewältigt und zieht sich deshalb mit etwas stählerner Tongebung achtbar aus der Affäre, ohne die Möglichkeit zu farblicher Differenzierung nutzen zu können. Eine echte Killerpartie, die ohne entspannte Tongebung in der Mittellage auszukommen glaubt, was den Charakter nicht unbedingt sympathisch macht! Die hinter der Bühne zu singende Canzone im Finale des zweiten Aktes wäre allerdings durchaus als Recital-Stück geeignet.

Anamarija Knego versucht als Marussa in der Mittellage – übrigens ähnlich wie Bellincioni in ihren Aufnahmen für Pathé von 1905 – wie ein junges Mädchen zu klingen. Das führt zu Registerdivergenzen, sodass die Intonation in der Lage zwischen e“ und g“ darunter leidet und die hohen B’s und H’s doch recht grell daherkommen. Ihre – hier um einiges zu schnell genommene – Des-Dur-Preghiera im dritten Akt wäre ebenfalls für ein Recital geeignet.

Gutes Booklet mit umfangreicher Einführung und dem Libretto auf Italienisch und Englisch. Klangtechnisch wegen der muffigen Aufnahme des Orchesters unter den heutzutage üblichen Erwartungen. Ein Mitschnitt dreier Aufführungen mit über der Bühne angebrachten Mikrofonen wirkt eher historisch.

Fazit: Interessante Mischung als Verismo und Wagnerismo mit ein paar durchaus „rettbaren“ Nummern. Studierende der Fächer Bass und Bariton finden im zweiten Akt interessantes Material für Vortragsabende an der Hochschule. Als Ganzes jedoch kaum repertoiretauglich.

Thomas Baack [07.04.2025]

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Komponisten und Werke der Einspielung

Tr.Komponist/Werkhh:mm:ss
CD/SACD 1
Antonio Smareglia
1Nozze Istriane 01:45:08

Interpreten der Einspielung

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