Tommaso Traetta
Rex Salomon
Oratorio in due parti

cpo 555 654-2
2 CD • 1h 52min • 2023
02.06.2025
Künstlerische Qualität:
Klangqualität:
Gesamteindruck:
Obwohl der Neapolitaner Tommaso Traetta (1727 – 1779) bereits 1913 und 1916 mit zwei aufwändig editierten Bänden der „Denkmäler deutscher Tonkunst“ bzw. „Denkmäler der Tonkunst in Bayern“ bedacht worden war, blieb er selbst im Zuge des anhaltenden Alte-Musik-Booms einer größeren Öffentlichkeit weitgehend unbekannt; entsprechend karg ist die Diskographie, erst in den letzten Jahren haben Sängerinnen wie Olga Peretyatko und Nuria Rial einzelne Arien in ihre Rezitale aufgenommen. Die vorliegende Initiative von cpo in Zusammenarbeit mit den Innsbrucker Festwochen der Alten Musik ist daher sehr verdienstvoll.
Reizvolle Wiederentdeckung
Sie offeriert in Form des Oratoriums Rex Salomon von 1766 auch einige Gründe dafür, warum Traetta es bislang so schwer hatte: Einerseits ist er, musiksprachlich eher konservativ, innerhalb der Zwischenzeit zwischen spätestem Barock und dem jungen Haydn (dessen bekanntes Stabat mater etwa von 1767 datiert) schwer zu verorten; andererseits ist zumindest dieses Werk, das Traetta noch vor seiner Zeit als Hofkapellmeister der Zarin Katharina II. in Sankt Petersburg komponierte, nicht gerade übervoll von melodisch individuellen Einfällen.
Dennoch ist der knapp zweistündige lateinische König Salomon kompositorisch von hohem Reiz.
Traetta beherrscht nicht nur den vollen Katalog barocker Affekte, sondern besticht mit einer klaren, formal großteiligen Gliederung, in deren Mittelpunkt die mit 7 bis fast 10 Minuten Dauer zeitlich ausgreifenden Arien stehen. Deren Besetzung schließlich ist das auffälligste Merkmal: Das Oratorium entstand als Traettas Debüt als Chorleiter an der „Santa Maria dei Dereletti“ in Venedig, die seinerzeit eines der vier großen „Ospedali“ der Stadt betrieb, Waisenhäuser, deren berühmtestes das „Ospedale della Pietà“ wurde, nicht zuletzt wegen eines gewissen Antonio Vivaldi als „Maestro di coro“. An Traettas neuer Wirkungsstätte wurden nur junge Frauen unterrichtet, was ihm Gelegenheit gab, im Rex Salomon in fünf ausgewachsene Partien das volle Spektrum der weiblichen Tessitura vom hohen Koloratursopran (Regina di Saba) bis hin zum androgynen Alt (Adon) auszuschöpfen.
Vorzügliche Sängerinnen
Christophe Rousset hat als musikalischer Leiter dieser Einspielung auf eine homogene Besetzung der drei hohen und zwei tiefen Frauen-Partien geachtet und bei der Auswahl kraftvolle, stabile Stimmen bevorzugt: Mädchenhaft gehaucht wird hier nicht. Dennoch sind die fünf vorzüglichen Sängerinnen deutlich unterscheidbar: Suzanne Jerosme in der Sopran-Partie des Salomon verfügt über ein natürliches, gut sitzendes Vibrato und strahlt eine dem Rollensujet angemessene Demut aus, kann aber auch idealististischen Ernst transponieren. Elenora Bellocci als Abiathar steuert leuchtende tonliche Flexibilität bei, Marie-Eve Munger als Regina di Saba eine gebührend Exaltiertheit in der Spitze. Mehr abgeschattet, fraulicher tönt Grace Durham als Sadoc, Magdalena Pluta als Adon grundiert mit einem schön flächigen Alt mit stolzer Tiefe. Alle Solistinnen sind überaus koloratursicher und verzieren in den Wiederholungen der Dacapo-Arien draufgängerisch, sodass sich nie, wie so oft, der Eindruck des Einstudierten einstellt.
Dem gut zwanzigköpfigen Instrumentalensemble „Theresia“ könnte Rousset vielleicht eine größere Palette von Farben entlocken, bisweilen sind auch melodisch ausziselierte Passagen wie die Einleitung zur Arie Breve momentum vita (Abiathar, Teil II) nicht hundertprozentig präzise in der Koordination der ersten und zweiten Violinen. Im Ganzen jedoch tut Rousset gut daran, das in seiner Gediegenheit durchaus angenehme Regelmaß der Musik nicht mit eigenen Ideen aufpeppen zu wollen. Ob diese hörenswerte Wiederentdeckung wohl Ausschlag für eine nachhaltige Renaissance Tommaso Traettas gibt? Das hängt wahrscheinlich davon ab, welche Schätze in seinen über 40 Opern noch zu heben sind.
Prof. Dr. Michael B. Weiß [02.06.2025]
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Komponisten und Werke der Einspielung
Tr. | Komponist/Werk | hh:mm:ss |
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CD/SACD 1 | ||
Tommaso Traetta | ||
1 | Rex Salomon (Oratorium in zwei Teil) | 01:51:37 |
Interpreten der Einspielung
- Suzanne Jerosme (Salomon - Sopran)
- Eleonora Bellocci (Abiathar - Sopran)
- Marie-Eve Munger (Regina di Saba - Sopran)
- Grace Durham (Sadoc - Mezzosopran)
- Magdalena Pluta (Adon - Alt)
- NovoCanto (Chor)
- Theresia (Orchester)
- Christophe Rousset * 1961 (Dirigent)