Finalistinnen mit starkem Profil
Finale im Fach Harfe beim ARD-Musikwettbwerb

So nahe lagen beim Finale im Fach Harfe die Leistungen der drei Finalistinnen, dass die Jury, nachdem sie über eine Stunde beraten hatte, neben dem ersten einen zweiten und einen „second second price“ vergab, wie es die Jury-Vorsitzende Marie-Pierre Langlamet formulierte. Jede der Finalistinnen hatte ihre Stärken, kaum eine Schwächen. Pflichtstück für alle war das Harfenkonzert von François-Adrien Boieldieu, dazu durfte jede Harfenistin ein Solostück eigener Wahl präsentieren. Das Begleitorchester im Herkulessaal der Residenz war das Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks unter der aufmerksamen und engagierten Leitung von Andrew Grams.
C-Dur-Helle und zartbittere Melancholie
Die erste Finalistin war Lea Maria Löffler (Deutschland). Sorgfältig und genau spielte sie das Harfenkonzert, trennte rhythmisch schön die Sechzehntelläufe von den darauffolgenden Achteltriolen, baute kleine Spannungsritardandi ein, zeigte saubere Oktavenläufe und einen zielgerichteten Schlusslauf im Kopfsatz. Immer war sie im Einklang mit dem Orchester. Lyrische Spannung herrschte bei ihr im Andante, und als da das schmerzreiche c-Moll ins C-Dur überging, brach mit Lea Maria Löffler helles Licht herein. Heiter-anmutig und dann triumphierend strahlend und dann wiederum mit feinst perlendem Pianissimo gestaltete sie das Finale, in dem sie dem Rondo-Thema immer neue Farben gab.
Als Kür-Stück hatte Lea Maria Löffler
Verano Porteño aus Las Quatro Estaciones Porteñas von Astor Piazzolla gewählt. Hier hätte sie den Tango-Rhythmus noch ein wenig schärfer markieren können, brachte aber viel hallenden Raumklang und vor allem im Mittelteil die zartbittere Melancholie, die den argentinischen Tango prägt. Für so manchen Zuhörer war sie damit schon die Sieges-Favoritin.
Glitzrig und vibrierend
Doch dann kam Alexandra Bidi (Frankreich). Ihr Harfenkonzert war lebendiger, temperamentvoller, flüssiger und insgesamt auch geschlossener, ihre Läufe hatten noch mehr zwingende Konsequenz. Im Andante bot sie gespannte Ruhe, machte den Übergang zum C-Dur aber nicht so bedeutungsschwanger. Der Finalsatz kam spritzig, glitzrig und tanzlustig, mit geheimnisvollen Piani-Stellen dazwischen. Immer wieder ging der Blick von Bidi zum Dirigenten, um rhythmischen Einklang zu finden.
Ihr Wahlstück ist eigentlich für Gitarre geschrieben: Zapateado (auf Deutsch „Stepptanz“) von Regino Sáinz de la Maza. Feurig-leise, rhythmisch farbig und vibrierend voll verhaltener Erregung mit hart angerissenen Ausbrüchen kam dieser Tanz, im Mittelteil herrlich singend. Jetzt wusste man: Die Wahl wird schwer.
Entschlossenheit und Überzeugungskraft
Schnellen und entschlossenen Schrittes kam dann als letzte Finalistin Tjashna Gafner (Schweiz) herein, verbeugte sich kurz und schwungvoll und begann das Harfenkonzert genauso entschlossen-schwungvoll. Immer wieder suchte sie den Blickkontakt zum Dirigenten, lächelte vor Spiel- oder gar Siegesfreude? Agogisch und dynamisch lebendig war ihr Spiel, groß die Variation der Tonstärken. Vorantreibend-drängend mit viel Binnenspannung und immer neuen Anläufen zum immer wiederkehrenden Rondo-Thema interpretierte sie den Finalsatz. Überzeugend war darüber hinaus ihre souveräne Ausstrahlung, ihr sicht- und hörbarer Elan und ihre spürbare Überzeugungskraft. So sehen Sieger aus!
Ihr Wahlstück war das Klavier-Präludium C-Dur op.12 Nr. 7 von Sergej Prokofjew, das „Harfen-Präludium“ genannt wird eben wegen der Harfen-Effekte. Farbenschillernd und rhythmisch zartbebend erklang es, wobei Tjasha Gafner schön die Haupt- und Begleitstimmen trennte und so die berückende Transparenz schuf, für die dieses beliebte Stück berühmt ist. Die lichten Höhen glitzerten und alles entschwand am Ende in hohem Engelsklang.
Für ihre überzeugende Leistung erhielt Tjasha Gafner den mit 10.000 Euro dotierten ersten Preis, Alexandra Bidi und Lea Maria Löffler bekamen jeweils den mit 7.500 Euro dotierten zweiten Preis. Zusätzlich darf sich Tjasha Gafner über den Publikumspreis (1.500 Euro) freuen und Alexandra Bidi über den Preis für die beste Interpretation der Auftragskomposition (1.000 Euro).
Rainer W. Janka (07.09.2023)