Klare Entscheidung
Finale im Fach Kontrabass beim 72. ARD-Musikwettbewerb

Knackig kurz geriet das Finale im Fach Kontrabass des 72. Internationalen ARD-Musikwettbewerbs im Münchner Herkulesaal der Residenz, kurz war auch die Beratungszeit der siebenköpfigen Jury. Ein Finalist hatte das Kontrabass-Konzert Nr. 2 in h-Moll von Giovanni Bottesini gewählt, zwei das von Sergej Koussevitzky in fis-Moll. Das Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks unter Andrew Grams begleitete mit viel Sympathie für die Solisten.
Klangschönheitsbad
José Tigo (Portugal) nahm den rhapsodischen Beginn des Koussevitzky-Konzertes nicht so dominant, wie es sich für einen Solisten gehört, hatte einen schönen runden Ton mit viel Vibrato, ließ aber viel strömend geschehen statt das Geschehen zu dominieren. Er schien sich eher in die Musik zu versenken oder gar zu verlieren, badete sich im Schönklang, holte das Konzert aber nicht aus dem spätromantischen Klangschönheitsbad heraus. Seine Läufe hatte nicht viel Verve, waren bisweilen auch etwas summarisch gehalten. Dem überraschend zahlreichen Publikum gefiel es aber.
Geschmack im Überschwang
Gabriel Polinsky (USA) begann wesentlich rhapsodischer, formte die Phrasen differenzierter, stellte sie vor und aus, ging mit der Musik mit und gestaltete den rhetorischen Überschwang dieses Konzertes geschmackvoll. Als einziger der drei Kontrabassisten wählte er die französische Bogenhaltung, die angeblich mehr Flinkheit und Virtuosität verleiht, dafür vielleicht weniger Bogendruck und daher weniger Vollton ermöglicht. In der Tat meinte man immer wieder, er könnte den romantischen Überschwang noch etwas exaltierter, extrovertierter auskosten.
Eleganz, Esprit und Elan
Extrovertiertheit bot dafür Hongyiu Thomas Lai (Hongkong), der das Bottesini-Konzert spielte. Im Semifinale war er durch viel Grimassieren und Körperverrenkungen aufgefallen, hier im Finale hielt er sich diesbezüglich zurück. Mit fast Cello-artiger Tonschönheit ließ er die Themen aufblühen, ließ überhaupt diese Musik wie aus dem Moment geboren erblühen, erfühlte die Strukturen und erfüllte sie mit Leben. In der Kadenz des Kopfsatzes brachte er die Basstiefen seines Instrumentes zum Beben, im langsamen Satz sang er arios die Phrasen aus mit wunderschön kantablem Ton, versenkte sich tief in die Musik, versank aber nicht darin. Eleganz, Esprit und Elan und körperliche Freude am Rhythmus prägten sein Spiel dann besonders im Finalsatz und produzierten großen Jubel im Publikum.
Drei glückliche Preisträger
Eine Überraschung war deswegen die Wahl der Jury: 3. Platz (5000 Euro) für José Trigo, (nur) 2. Platz (7500 Euro) für Hongyiu Thomas Lai, der aber dafür den Publikumspreis (1500 Euro) bekam, und 1. Platz (10 000 Euro) für Gabriel Polinsky, der auch noch den Brüder-Busch-Preis (4000 Euro) erhielt.
Rainer W. Janka (09.09.2023)