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ARD-Musikwettbewerb Ein Fenster zu... Kompass

ARD-Musikwettbewerb

Exzellente Klaviertrios

Finale des ARD-Musikwettbewerbs 2023 im Fach Klaviertrio

War es beim eher konservativen Münchner Publikum vor Corona noch üblich, sich für die Finali des ARD-Musikwettbewerbs in passende Garderobe zu werfen, scheinen die Lockdowns die guten Sitten doch erheblich verroht zu haben. Bei den sommerlichen Temperaturen ist es sicherlich lässlich, Sakko und Krawatte wegzulassen und nur in Shirt und Chino im Prinzregententheater zu erscheinen. Bei Herren jenseits der 60 in Shorts und Sandalen ist man dann aber nicht mehr „amused“. Den gespannten Erwartungen auf die Interpretationen der drei Klaviertrios im Finale tat dies natürlich keinen Abbruch.

Restriktives Programm

Wie bereits beim Trio-Wettbewerb 2018 konnten die Finalisten nur zwischen den beiden quasi-sinfonischen Spätwerken D 898 und D 929 von Franz Schubert wählen. Hinzu kam als Pflichtstück vor dem Schubert – man hatte von den „Pausenverlängerern“ im Publikum von 2018 gelernt – die Kammersonate von Hans-Werner Henze. Letztere ist im Repertoire nie heimisch geworden, eignet sich aufgrund ihrer Kürze jedoch ideal als Wettbewerbsstück, weil sie die Möglichkeit bietet, binnen 15 Minuten die Reaktion eines Ensembles auf Elemente der zweiten Wiener Schule sowie des Ex- und Impressionismus abzuprüfen. Ich bezeichne solche composita mixta boshaft gern als „Webern-gebartókter-Debussy“. Zudem fiel auf, dass alle Trios diese Komposition von Tablet-Computern spielten, bei denen die Streicher per Bluetooth-Pedal – wenn es nicht gerade wie beim Cellisten des Trio Pantoum – den Kontakt verliert – bequem blättern können.

Drei preiswürdige Trios

Das 2016 gegründete Trio Pantoum aus Frankreich, dessen Name auf eine malaysische Gedichtform zurückgeht, die Camille Saint-Saëns und Maurice Ravel zu Sätzen in ihren Klaviertrios anregte, erspielte sich den 3. Preis. Dies lag sowohl an einer zugunsten des Klaviers verschobenen Klangbalance, als auch an der mangelnden Fähigkeit, die für die abrupten Klangballungen des Es-Dur-Trios D 929 nötige Spannung organisch durch zielgerichtete Phrasierung in den vorangehenden Piano-Abschnitten aufzubauen. Dann fragt sich der Hörer trotz durchaus gekonnten Spielens, warum es auf einmal jetzt donnere. Das ist charakteristisch für Beethoven, funktioniert bei Schubert jedoch nicht mehr. Die Kammersonate wurde routiniert, aber nachvollziehbarerweise nicht sonderlich inspiriert absolviert.

Das bereits seit 2012 zusammen musizierende Amelio Trio bestach durch eine Homogenität, die nur aus langer Erfahrung erwächst. Das in den Spannungsverläufen ungemein ausgefeilte B-Dur Trio D 898 wurde nahezu mustergültig interpretiert. Vielleicht fehlte die letzte Emotionalität, sodass sich kein echter Gänsehaut-Moment einstellen wollte. Jedoch wurde hier immer „auf Zug“ phrasiert, sehr sauber und elegant artikuliert und die nötigen Impulse kamen exakt an der richtigen Stelle. Die Drei haben das Stück wirklich verstanden und konnten dies auch dem Publikum klar verdeutlichen. Ein Extra-Lob gebührt hier dem Pianisten Philipp Kirchner, der – obwohl er selbst alle Hände voll zu tun hatte – immer auf seine Partnerinnen Johanna Schubert und Merle Geißler hörte, sodass eine wirkliche Einheit entstand. Auch der Henze gelang ansprechend. Ich sah sie nach ihrem Vortrag bereits als sichere Sieger, sah mich danach aber doch getäuscht: Es wurde immerhin der 2. Preis.

Exzellent: Das jünste Trio

Denn dann kamen die Senkrechtstarter: das erst 2019 gegründete Trio Orelon, das sich neben dem 1. Preis auch den Publikumspreis erspielte. Mit dieser Entscheidung hadere ich keineswegs, da ich bereits im Semifinale dessen Interpretation von Beethovens op. 1/3 bewundert hatte. Sie vermochten der eher desolaten Kammersonate noch mehr Farben und Musikalität als ihre Vorgänger einzuhauchen und boten ein äußerst farbstarkes, spannend phrasiertes Es-Dur-Trio. Diesmal auch mit korrekten Trillern von oben im auf ein schwedisches Lied zurückgehenden Andante und äußerst subtil nachgezeichneten Spannungsverläufen. Sehr klug das Tempo im Finale etwas langsamer als das Trio Pantoum anzugehen und dem stellaren Pianisten Marco Sanna so die Zeit zu verschaffen, die vertrackten, sich von Sechszehnteln auf Sechszehntel-Triolen beschleunigenden Läufe rhythmisch genau und höchst brillant auszuspielen. Alle Rubati ergaben Sinn und waren auf den Punkt. Wie durchdacht die gesamte Interpretation war, zeigte sich an der Gestaltung der das Andante-Thema beschließenden Oktavsprünge, die bei der Wiederaufnahme im Finale die kathartischen Explosionen vorbereiten. Da kann man getrost von einem „wissenden Trio“ sprechen. Gratulation und viele schöne Konzerte in der Zukunft!

Thomas Baack (10.09.2023)

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