Karel Ančerl war einer der bedeutendsten und bekanntesten tschechischen Dirigenten des vergangenen Jahrhunderts. Er leitete viele Jahre lang die tschechische Philharmonie und führte während seiner Amtszeit das Orchester zu einer Qualität von hohem internationalem Renommée, das sich in vielen Einladungen weltweit widerspiegelte. Karel Ančerl wurde am 11. April 1908 in Tučapy geboren. Seine Familie war wohlhabend. Mit elf Jahren spielte er als Geiger im Orchester des Ortes mit und studierte gegen den Willen der Eltern von 1925 bis 1929 am Konservatorium im Prag, u.a. bei Jaroslav Křička und Alois Hába. Er wurde Schüler von Václav Talich, dem damaligen Leiter der tschechischen Philharmonie, und Hermann Scherchen, bei dem er schließlich von 1929 bis 1931 auch als Assistenz in Berlin und München arbeiten konnte. Von 1931 bis 1933 war er Dirigent am Freien Theater Osvobozené divadlo in Prag und von 1933 bis 1939 leitete er das Symphonieorchester des Prager Rundfunks. Nach der Machtübernahme durch die Nazis wurde Ančerl als Jude aller Ämter enthoben, mit Berufsverbot belegt und 1942 erst ins Ghetto Theresienstadt und schließlich nach Auschwitz deportiert. Er hat als einziger seiner Familie die Lagerhaft überlebt. Nach dem Ende des Krieges und der Naziherrschaft kehrte er nach Prag zurück, wo er zuerst an der Prager Oper des 5. Mai die Position des künstlerischen Direktors einnahm. Von dort wechselte er am 1. September 1947 als Chefdirigent zum Prager Rundfunksinfonieorchester. Drei Jahre später, im Oktober 1950, wurde Ančerl zum künstlerischen Direktor der Tschechischen Philharmonie ernannt. Diese Position behielt er bis 1968 und formte das Orchester zu einem der besten Klangkörper des damaligen Ostblocks. Nach dem Einmarsch russischer Panzer und der Niederschlagung des „Prager Frühlings“ emigrierte Karel Ančerl im August 1968 nach Kanada und war dort bis 1972 Chefdirigent des Toronto Symphonie Orchestra. Er starb am 3. Juli 1973 in Toronto.