Teldec 8573-81108-2
2 CD • 2h 09min • 2000
01.12.2000
Künstlerische Qualität:
Klangqualität:
Gesamteindruck:
Im Schatten von Haydns Sinfonien und Streichquartetten stehen seine Opern – völlig zu Unrecht, wie Nikolaus Harnoncourt nun anhand von Armida überzeugend vorführt. Der Stoff dieser Oper basiert auf Torquato Tassos Kreuzritterepos Gerusalemme liberata und wurde vor Haydn bereits von Lully, Händel, Gluck und Jommelli verarbeitet, ganz zu schweigen von zahlreichen minder bedeutenden Tonsetzern. Da die Vorgeschichte als bekannt vorausgesetzt werden konnte, konzentriert sich Haydns Werk auf die letzte Phase des Kampfes zwischen Christen und Heiden.
Zu diesem äußeren Konflikt der Weltanschauungen tritt ein innerer: Die Zauberin Armida und der Kreuzritter Rinaldo empfinden ehrliche Liebe für einander, doch ihre jeweilige Pflicht verlangt, dem anderen existentiell zu schaden. In der Zuspitzung dieses Konflikts liegt die besondere Stärke von Haydns Vertonung: Die Konventionen der Opera seria mit ihrer strengen Scheidung zwischen Rezitativ und Arie bzw. Duett werden im Laufe dieser Komposition immer deutlicher zugunsten einer dramatischen Kontinuität aufgegeben. Und diese Dramatik ist wiederum der Aspekt, den Harnoncourt mit besonderem Nachdruck herausarbeitet. Schon in der Sinfonia läßt er die Tonschönheit hinter eine ungemein energische, bisweilen krachende Artikulation zurücktreten, die in ihrer Unnachgiebigkeit seit jeher das Markenzeichen des Concentus musicus Wien war. Ebenso werden die heroischen, virtuosen Arien mit heftiger Attacke angegangen; dem stehen aber auch sehr zarte oder von tiefer Sehnsucht geprägte Nummern gegenüber.
Dieses Konzept der dezidierten Aussagen wird von den Solisten unterschiedlich umgesetzt. Während Christoph Prégardien es an die Möglichkeiten seiner Stimme anpaßt, in seine Auffassung von Klangkultur integriert und somit zu einer ebenso konzentrierten wie nuancenreichen Gestaltung seiner höchst anspruchsvollen Partie gelangt, scheint Cecilia Bartoli Harnoncourts Richtlinien zu wörtlich zu nehmen: Ihr extremes Expressivo wirkt nicht nur plakativ, sondern vor allem in der Höhe schrill und unkontrolliert, wie ihre Stimme auch an anderen Stellen etwas forciert klingt und mit ihrem leicht kehligen Tremolo aus der Solistenriege herausfällt. Gleichwohl bleibt unbestritten, daß Bartoli auch hier mit ihrer frappierenden Koloraturtechnik wieder manchen Punkt gewinnen kann.
Stimmlich und stilistisch äußerst ansprechend agieren Patrizia Petibon und Scot Weir; Markus Schäfer und Oliver Widmer hinterlassen im wesentlichen einen tadellosen Eindruck. Somit gelingt es dieser Produktion, die übrigens entgegen der Angabe im reich bebilderten Beiheft kein echter Live-Mitschnitt ist, insgesamt doch noch sehr gut, dem Opernkomponisten Haydn jene Bedeutung zurückzugeben, die er musikgeschichtlich verdient.
Dr. Matthias Hengelbrock [01.12.2000]
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Komponisten und Werke der Einspielung
Tr. | Komponist/Werk | hh:mm:ss |
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CD/SACD 1 | ||
Joseph Haydn | ||
1 | Armida Hob. XXVIII:12 (Dramma heroico in tre atti) |