Muzio Clementi
SWRmusic 93.096
1 CD • 62min • 2002
26.03.2004
Künstlerische Qualität:
Klangqualität:
Gesamteindruck:
Unerwartet taucht die russische Pianistin Lilya Zilberstein auf dem Label „Hänssler Classics“ auf. Als halbwegs Aussenstehender fragt man sich manchmal, welche verschlungenen Wege die berühmten und die weniger berühmten Künstler gehen (oder gehen müssen), wenn sie sozusagen am medialen Ball bleiben wollen. Und wie viele der Namhaften sind in den vergangenen Jahren eines zurück gehenden Tonträgergeschäfts aus dem (trügerischen) Schutz großer Firmen in die intime, nach Kräften fürsorgliche Obhut kleinerer Unternehmungen gewechselt. Gleichwohl: von Belang und erfreulich allemal ist es, wenn eine einst von der Deutschen Grammophon protegierte Solistin wie Lilya Zilberstein ihr ästhetisches Aus- und Einkommen mit einem Komponisten vom verkannten Range eines Muzio Clementi betreibt. Sieht man von den verstreuten, im Katalog immerhin vertretenen Pionieraufnahmen von Horowitz (RCA, Sony) und vereinzelten Neuaufnahmen mit Staier (Teldec) oder Irmer (MDG) ab, so wird es selbst ausgefuchsten Bestellprofis schwerfallen, ältere, wertvolle Einspielungen etwa mit Ciccolini (EMI-France) oder die italienische Quasi-Gesamtaufnahme der Clementi-Klavierwerke von Maria Tipo (Fonit Cetra) zu erlangen.
Der Leser wird ahnen, dass mein diskographischer Umweg auch etwas mit dem klaviergestalterisch nicht völlig befriedigenden Resultat der vorliegenden Einspielung zu tun hat. Wer Lilya Zilberstein einmal als flammende, tobende, urgesunde, frei nach dem Bauch schaltende und liebkosende Kammermusikpianistin etwa in Rachmaninoffs Cellosonate auf dem Podium erlebt hat, der wird sich Gedanken machen, warum diese grundreelle Musikerin via Clementi-CD nur einen Teil ihrer körperlichen und spirituellen Präsenz zu vermitteln vermag. Hinzu kommt, dass die feinnervige, im Klassischen verwurzelte, freilich auch schon ins Romantische ausgreifende Sonaten- und Fantasienkunst Clementis zum einen eine ordnende, zum anderen eine kantabel-sprechende Hand verlangt. Wenn ich den „Fall“ Zilberstein richtig beurteile, dann liegen ihr die vollgriffigen, gleichsam vollmundigen Partituren näher, als die bald schlanke, bald rhetorisch ins Literarische, ins Philosophische tendierende Kunst dieses italienischen Beethoven. Mir liegt es fern, vom Erwerb dieser Einspielung abzuraten, aber gewiefte Klavierkenner werden dieses Clementi-Spiel als eine Spur zu direkt, zu vordergründig, zu wenig abgefeimt und ausgeleuchtet qualifizieren – trotz aller Freude, eine eigenwillige, nach den Regeln des 6/8-Taktes schaukelnde, piemontesische Tanzsuite wie die „Monferrinas“ op. 49 zu erleben, aus deren zwölf alten Klavierschlagern Lilya Zilberstein die Nummern 2,3,4,6,8,10 und 12 ausgewählt hat.
Peter Cossé † [26.03.2004]
Komponisten und Werke der Einspielung
Tr. | Komponist/Werk | hh:mm:ss |
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CD/SACD 1 | ||
Muzio Clementi | ||
1 | Capriccio B-Dur op. 17 | |
2 | Klaviersonate D-Dur op. 40 Nr. 3 | |
3 | Capriccio Nr. 4 e-Moll op. 47 Nr. 1 | |
4 | 12 Monferrinas op. 49 |
Interpreten der Einspielung
- Lilya Zilberstein (Klavier)