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Besprechung CD

Schubert Epilog

Tudor 7131

1 CD • 77min • 2003

04.06.2004

Künstlerische Qualität:
Künstlerische Qualität: 9
Klangqualität:
Klangqualität: 9
Gesamteindruck:
Gesamteindruck: 9

Fünf Komponisten, fünf Versuche über die wahre Art, mit Schubert umzugehen, fünf völlig unterschiedliche Resultate vom atmosphärischen Widerhall bis zur Bearbeitung, von Zitaten-durchwachsener Eigen-Art bis zu großformatiger Nachempfindung – es ist eine wirklich gute Idee, die Tudor hier mit den Bamberger Symphonikern und ihrem Chefdirigenten Jonathan Nott umgesetzt hat.

Positiv sei zunächst vermerkt, dass nicht ein einziges Werk in die Kategorie der Rekonstruktionen gehört. Selbst Luciano Berios Rendering (1988-1990), das in diese Kategorie zu fallen scheint, ist in Wirklichkeit die gelungene Reflexion einer zehnten Sinfonie (D 936a), die nur als dreisätziges Klavierparticell-Fragment existiert und vom „Bearbeiter” auf der Grundlage der Unvollendeten (sehr geschmackvoll) orchestriert wurde. Die Lücken des Entwurfs sind nun aber nicht durch stilechte Hypothesen, sondern durch Klangfelder eigener Erfindung ausgefüllt, die wie musikalische „Differenzwolken” von Berios Anteilnahme zeugen und besonders dort faszinieren, wo Schuberts Skizzen sich allmählich verflüchtigen und noch in den Wolken wie verlorene Konturen weiterwirken.

Hans Zender kommt in seinen vier Schubert-Chören der Bearbeitung am nächsten, denn er hat kaum mehr getan als die Klavierbegleitung der vier ausgewählten Lieder für Männer- bzw. Frauenchor (Coronach, 23. Psalm, Der Gondelfahrer und Nachthelle) für Orchester zu setzen – das aber mit solch großem und dennoch unaufdringlichen Raffinement, dass die vokalen Anteile in den verschiedensten „malerischen” Techniken zu glühen und zu funkeln beginnen.

Mit Aribert Reimanns Metamorphosen für zehn Instrumente entfernen wir uns allmählich von Franz Schubert. Als strukturelles Alibi (oder Thema) des Stückes dient das Menuett D 600, das aber schon bald zerfasert und immer wieder mit dem Anfangsmotiv der Unvollendeten kollidiert, ohne daß man eigentlich recht einzusehen vermöchte, warum. Letztlich klingt es kaum anders als der Jingle zur ARD-Sendung Tausend Meisterwerke. Ähnlich ratlos läßt einen Kurt Schwertsiks Epilog zu Rosamunde op. 33 zurück: Zwar ist das filigrane Werkchen des Wieners nicht ohne Charme, doch die rechte Herzlichkeit will sich erst nach etwa zehn Minuten einstellen – und dann ist die Paraphrase auch schon bald vorbei.

Die individuellste Lösung präsentiert auch im vorliegenden Programm wieder einmal Hans Werner Henze. Der Erlkönig gehört in das Ballett Das Luftkind, dessen Libretto Jean Cocteau schon 1962 für Henze geschrieben hatte, das aber erst Ende der neunziger Jahre realisiert wurde. Der Komponist hat sich in der aus dem Bühnenzusammenhang gelösten Orchesterfantasie vom Puls und Impuls des gleichnamigen Liedes inspirieren lassen und eine Art Toccata geschaffen, die ohne wirkliche Zitate auskommt und dabei den Eindruck erweckt, daß Vater und Sohn auf der Flucht vor dem geisterhaften Spuk nicht ein Pferd, sondern ein Dampfroß mit der Achsfolge 2-3-1 benutzten.

Wie eingangs gesagt: Es ist ein ganz erhebliches Spektrum, das hier mit viel Engagement und Einfühlungsvermögen eingespielt wurde (selbst der Paukist macht aus seinen Kesseln ein regelrechtes Melodieinstrument). Als historisches Dokument und für Musikfreunde, die sich für mehr oder weniger gangbare Wege aus der schöpferischen Krise des 20. Jahrhunderts interessieren, ist das ohne Frage eine gelungene CD.

Rasmus van Rijn [04.06.2004]

Komponisten und Werke der Einspielung

Tr.Komponist/Werkhh:mm:ss
CD/SACD 1
Luciano Berio
1Rendering per orchestra (nach Skizzen zu einer 10. Sinfonie in D-Dur von Franz Schubert)
Aribert Reimann
2Metamorphosen über ein Menuett von Schubert (D 600) für 10 Instrumente
Hans Werner Henze
3Erlkönig (Orchester-Fantasie über Goethes Gedicht und Schuberts op. 1 aus dem Ballett "Le Fils de l'Air", 1996)
Hans Zender
4Schubert-Chöre 1-4 (Er ist uns geschieden, Gott ist mein Hirt, Es tanzen Mond und Sterne, Die Nacht ist heiter)
Kurt Schwertsik
5Epilog zu »Rosamunde« op. 33 (1978)

Interpreten der Einspielung

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