
Audite 97.501
1 CD • 74min • 2002
24.09.2004
Künstlerische Qualität:
Klangqualität:
Gesamteindruck:
Klassik Heute
Empfehlung
Ein Komponist, den man gar nicht oder kaum dem Namen nach kennt, provoziert sofort die Suche nach Wahlverwandtschaften und Familienähnlichkeiten. Nicht anders ergeht es dem unbefangenen Hörer im Falle des leider weithin unbekannten Eduard Franck. Der Vergleich mit seinem Lehrer Felix Mendelssohn liegt nahe, sobald sich Franck auf das schwerelose Spiel der „Elfenscherzi“ einläßt; der erzählerische Ton seiner Musik wiederum erinnert an Robert Schumann (der Eduard Francks frühe Werke lobte); die kunstvollen metrischen Doppeldeutigkeiten kennen wir aus den Partituren seines Zeitgenossen Johannes Brahms; und das untrügliche Gespür für die elementaren wie die raffinierten Schönheiten des Streicherklanges teilte er unverkennbar mit Antonín Dvorák. Derlei Assoziationen stellen sich zwangsläufig ein bei der Bekanntschaft mit Eduard Francks jetzt zum ersten Mal eingespielten Streichsextetten. Und doch – im Zentrum der Entdeckung steht ein unabhängiger, eigenwilliger und unverwechselbarer Komponist.
Die Meisterschaft dieses 1817 in Breslau geborenen, vielseitig hochbegabten Musikers gründete auf einer architektonischen Verfügungsgewalt über große, zyklische Formen, die Kunst der Einheit in der Vielfalt – wie allein schon die sinfonisch bemessenen Kopfsätze der beiden Streichsextette beweisen. Andererseits wußte Eduard Franck Kantilenen zu schreiben, einfache oder in sich kreisende oder auch fortgesponnene Melodien, die ganz aus dem Klang und Charakter der Instrumente erfunden sind. Vor allem aber war Franck keineswegs der rückwärtsgewandte Klassizist, zu dem ihn das Vorurteil erklärt, sondern ein sensibler Neuerer der Harmonik und Instrumentation: Nicht von ungefähr lenken seine Sextette die Gedanken in die Zukunft, in das Jahr 1899, als Arnold Schönberg für dieselbe Besetzung sein Tongedicht Verklärte Nacht schuf, sechs Jahre nach Francks Tod.
Das Edinger Quartett, um den Bratschisten Leo Klepper und den Cellisten Mathias Donderer verstärkt (und bereichert!), hat sich den Kompositionen Eduard Francks mit Herz und Verstand verschrieben: mit dem nötigen Orientierungssinn für die dramaturgisch weit gespannten Formen, und mit allem Feingefühl für den unerschöpflichen Reiz, die Poesie, die romantischen Geheimbotschaften dieser Kammermusik. Das Label audite veröffentlicht die beeindruckende Aufnahme der Streichsextette im Rahmen einer Edition, die dem Schaffen Eduard Francks (und seines Sohnes Richard) gewidmet ist – eine wahre Pioniertat, eine Einladung an alle neugierigen Musiker und Musikfreunde. Und hoffentlich: der Anfang einer späten, doch überaus lohnenden Auseinandersetzung mit einem Leben und einem Werk, das zu kostbar ist, um im Halbdunkel der Archive zu verschwinden.
Wolfgang Stähr [24.09.2004]
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Komponisten und Werke der Einspielung
Tr. | Komponist/Werk | hh:mm:ss |
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CD/SACD 1 | ||
Eduard Franck | ||
1 | Streichsextett Es-Dur op. 41 | |
2 | Streichsextett D-Dur op. 50 |
Interpreten der Einspielung
- Edinger Quartett (Streichquartett)
- Leo Klepper (Viola)
- Mathias Donderer (Violoncello)