DGA 474 508-2
1 CD • 61min • 2003
28.07.2004
Künstlerische Qualität:
Klangqualität:
Gesamteindruck:
Klassik Heute
Empfehlung
Concerto Köln hat sich darauf spezialisiert, unbekannten Komponisten und deren Werken zu ihrem Recht zu verhelfen. Jede CD des Ensembles ließ bisher aufhorchen und wurde als ernstzunehmende Repertoirebereicherung gewertet, so daß man inzwischen blind vertrauen darf, wenn Concerto Köln mit einem neuen Namen ankommt. Diesmal ist es Johann Wilhelm Wilms (1772-1847), geboren in Witzhelden bei Solingen und niederländischer Abstammung. 1791 zog er nach Amsterdam, wo als Musiklehrer, Konzertpianist und Orchesterflötist arbeitete und in verschiedenen Komitees Einfluss auf das niederländische Musikleben nahm. Seine ersten Sinfonien entstanden um die Jahrhundertwende und waren noch dem Vorbild Haydns verpflichtet; später entwickelte er deutlich frühromantische Züge. Für seine sechste Sinfonie erhielt Wilms 1820 den ersten Preis der Société Royale des Beaux-Arts et de Littérature in Gent; die siebte Sinfonie, mehr als zehn Jahre später entstanden, scheint zu Lebzeiten nie vollständig aufgeführt worden zu sein.
Es versteht sich fast von selbst, dass Concerto Köln diese beiden Werke mit einer großen Begeisterung, aber auch mit einer tiefen Ernsthaftigkeit präsentiert. Das Plädoyer gelingt: Wilms erweist sich als Sinfoniker ganz eigener Prägung, und wer bisher Kraus neben Haydn und Mozart gelten ließ, wird nun Wilms neben Beethoven gelten lassen. Interpretatorisch erfreut, dass Concerto Köln nicht, wie in früheren Aufnahmen, das Fulminante der Neuentdeckung mit einer scharfen Artikulation und rasanten Tempi überbetont, sondern zu einem Ausgleich von rhythmischen, harmonischen und melodischen Aspekten gelangt. Der partiell romantische Tonfall dieser Musik hat dem Orchester offenbar auch gestalterisch Neuland erschlossen. Der Verzicht auf einen Dirigenten – Werner Ehrhardt leitet vom Konzertmeisterpult aus – bietet hier mehr Vor- als Nachteile. Zwar könnte man sich gelegentlich eine noch subtilere Gestaltung der Binnen- und Außenspannung vorstellen, wie sie bei Musik dieser Komplexität wohl nur von einem Dirigenten perfekt zu steuern ist; andererseits ist deutlich zu spüren, dass die Orchestermusiker ohne Dirigenten mehr Eigenverantwortung haben und diese auch wahrnehmen. So übernehmen die Holzbläser an bestimmten Stellen die Führung der Streicher, so gehen die Impulse immer von der jeweils wichtigsten Stimmgruppe aus, so ist der Dialog innerhalb des Ensembles wacher und organischer. Da zumindest von der siebten Sinfonie inzwischen auch das Notenmaterial erhältlich ist, dürfte diese mutige Produktion nicht unerhebliche Auswirkungen auf unseren Konzertbetrieb haben. Bravo, Concerto Köln!
Dr. Matthias Hengelbrock [28.07.2004]
Komponisten und Werke der Einspielung
Tr. | Komponist/Werk | hh:mm:ss |
---|---|---|
CD/SACD 1 | ||
Johann Wilhelm Wilms | ||
1 | Sinfonie Nr. 6 d-Moll op. 58 (1819) | |
2 | Sinfonie Nr. 7 c-Moll |
Interpreten der Einspielung
- Concerto Köln (Orchester)