Kremerland
DG 474 801-2
1 CD • 68min • 2004
03.01.2005
Künstlerische Qualität:
Klangqualität:
Gesamteindruck:
„Kremerland“ ist die musikalische Heimat und ganze Welt des Stargeigers Gidon Kremer. Nicht von ungefähr ist der Mittelpunkt des wunderbaren CD-Covers von Neil Gower ein großes Zirkuszelt. Kremer bietet etliche Stars in seiner Manege auf, die ihm huldigen und zugleich seine Vorlieben für Außergewöhnliches und Skurriles teilen.
Hier gibt es ungewöhnliche Bearbeitungen, Parodien oder Verfremdungen bekannter Werke und originale Kabinettstückchen zeitgenössischer Komponisten, zugeschnitten auf den Namensgeber und sein Orchester. Gehaltvoll ist Sergei Dreznins Bearbeitung von Liszts Après une lecture de Dante – diesem genialen Konstrukt aus Sonate und Fantasie – für Violine und Streichorchester, auch wenn sie manchmal bloßlegt, wie sehr eine Instrumentierung nach dem vollen Sinfonieorchester schreit. Ein köstlicher Spaß ist Leonid Chizhiks komponierte und am Klavier vorgetragene Variationen-Reihe über das berühmte Thema aus Mozarts Sonate A-Dur KV 331, begleitet von Kremer, den Streichern und Schlagzeug. Alexander Vustin parodiert Kremers Vorliebe für Astor Piazzolla mit einer Tango-Hommage auf Gidon, und der renommierte Komponist Giya Kancheli steuert einen Ragtime bei. Alexander Bakshi parodiert Ives’ Unanswered Question wie auch die Unsitte mancher Künstler, während ihrer Konzerte ihr eigenes Handy nicht auszuschalten, mit einem „Unbeantworteten Telefonanruf“ (so erklärt sich das auf dem Frontcover in den Ecken versteckte Handy). Und bevor es mit einer Fantasie von Sergej Reznin nach Isaak Dunayevskys gleichnamiger Filmmusik vollends in den Circus geht, gibt es noch ein Meeting with a Friend von Georgs Pelecis – nein, diesmal nicht Kremer, sondern ein Moskau-Spaziergang, bei dem Pelecis mit seinem Komponisten-Freund Wladimir Martynow über viele gute Bekannte gesprochen haben muß: Die gesamte Musikgeschichte scheint in diesen letzten beiden Werken mittels Anspielungen und Zitaten Revue zu passieren, eingeschmolzen in ein minimalistisch anmutendes Klangidiom.
Alles auf der CD wird ungemein spritzig musiziert, es ist ein witziger Grenzgang zwischen den Genres, mehr U als E, in bestem Digitalklang, noch dazu mit 79 Minuten fast an der Grenze der Kapazität.
(Und doch – ein leichtes Unbehagen wollte sich nicht ganz vertreiben lassen, ein Unbehagen, das ich schon vor 15 Jahren empfand, als ich den Namen „Kremerata Baltica“ zum ersten Mal hörte. Aber bisher wartet man glücklicherweise vergebens darauf, in Berlin die Rattle-Phiharmoniker oder in Bremen die Järvi-Kammerphilharmonie erleben zu dürfen.)
Dr. Benjamin G. Cohrs [03.01.2005]
Komponisten und Werke der Einspielung
Tr. | Komponist/Werk | hh:mm:ss |
---|---|---|
CD/SACD 1 | ||
Franz Liszt | ||
1 | Après une lecture de Dante S 161:7 (Fantasia quasi Sonata, aus: Années de pèlerinage duexième année – Italie) | |
Leonid Chizhik | ||
2 | Fantasy Variations on a Theme by Mozart für Klavier, Streicher und Schlagzeug | |
Alexander Vustin | ||
3 | Tango Hommage à Gidon für Violine, Streichorchester und Percussion | |
Giya Kancheli | ||
4 | Rag-Gidon-Time | |
Alexander Bakshi | ||
5 | The Unanswered Call | |
Georgs Pelécis | ||
6 | Meething with a Friend für Violine und Streicher | |
Isaak Dunayevsky | ||
7 | Circus |
Interpreten der Einspielung
- Leonid Chizhik (Klavier)
- Marta Sudraba (Violoncello)
- Andrei Pushkarev (Percussion)
- Kremerata Baltica (Streichorchester)
- Gidon Kremer (Violine und Leitung)