Jean Sibelius – String Quartets 1885-1889
BIS 1376
1 CD • 74min • 2004
29.04.2005
Künstlerische Qualität:
Klangqualität:
Gesamteindruck:
Eine CD mit sage und schreibe 52 Tracks kommt einem nicht alle Tage auf den Tisch. Ist es der Frust über das geheimnisvolle vorzeitige Verstummen des Komponisten, das Wissenschaftler und Musiker antreibt, die Skizzenbücher des großen Finnen bis zum letzten Blatt nach Verwertbarem zu durchforsten und notfalls Fragmentarisches durch Ergänzungen aufführbar zu machen ? Gewiss, Sibelius war während seiner Studienzeit zweiter Geiger des Konservatoriums-Quartetts und hat seine ersten Schritte als Komponist auf dem Gebiet der Kammermusik unternommen, allerdings überwiegend unter Einbeziehung des Klaviers. Seine Hinterlassenschaft an für den Konzertgebrauch bestimmten reinen Streichquartett-Kompositionen ist äußerst gering.
Umso mutiger ist das Vorhaben der vier jungen Damen des Tempera-Quartetts, durch eine chronologische Gesamteinspielung Sibelius als Quartett-Komponisten zu etablieren. Die erste Folge enthält neben dem Es-Dur-Quartett des Zwanzigjährigen ausschließlich Werke, die im Manuskript überliefert sind und hier erstmals eingespielt wurden. Es handelt sich um eine Reihe von Einzelsätzen, die gelegentlich Anklänge an Haydn und Schubert aufweisen, und eine gewaltige Ansammlung äußerst kurzer Stücke oder Skizzen, von denen einige kaum die Länge eines Handy-Klingeltons haben. Man bewundert den melodischen Einfallsreichtum, mitunter aparte harmonische Wendungen und sicheren Zugriff bei der Realisation einer charakteristischen Satzstruktur, auch mag man im Tonfall hier und da Vorahnungen späterer Kompositionen wahrnehmen. Doch das Entwicklungspotential, das in diesen winzigen Miniaturen steckt, bleibt ungenutzt. Von dem, was den Sinfoniker Sibelius zu einer singulären Erscheinung gemacht hat, erfährt man nichts.
Deshalb wird man niemandem verübeln, wenn sich trotz der frischen und direkten Wiedergabe beim Anhören der kompletten CD Ermüdungserscheinungen und ein gewisses Gefühl des Unbefriedigtseins einstellen sollte. Vielleicht hört man sie am Besten portionsweise – und macht sich dazwischen ein paar Gedanken darüber, was wohl der Meister von dieser Produktion gehalten hätte, der alles, was er in seinen letzten dreißig Jahren zu Papier brachte, vor der Öffentlichkeit verbarg und vermutlich vernichtete, da es seiner Selbstkritik nicht standhielt.
Sixtus König † † [29.04.2005]
Komponisten und Werke der Einspielung
Tr. | Komponist/Werk | hh:mm:ss |
---|---|---|
CD/SACD 1 | ||
Jean Sibelius | ||
1 | Scherzo mit Trio E-Dur JS 134 (1885) | |
2 | Scherzo h-Moll (vervollständigt von Kalevi Aho, 1885) | |
3 | Streichquartett Es-Dur JS 184 (1885) | |
4 | (Four Themes) | |
5 | Alla marcia e-Moll JS 16 (1888) | |
6 | Presto F-Dur JS 154 (1888) | |
7 | Theme and Variations g-Moll JS 197 (1888) | |
8 | Allegretto D-Dur JS 20 (1888) | |
9 | Andantino C-Dur JS 39 (1888) | |
10 | Theme and Variations cis-Moll JS 195 (1888) | |
11 | 33 Small Pieces (1888/1889) | |
12 | (Allegro) g-Moll (1888/1889) | |
13 | Andante - Allegro molto D-Dur JS 32 (1888/1889) | |
14 | Andante molto sostenuto h-Moll JS 37 |
Interpreten der Einspielung
- Tempera Quartet (Streichquartett)