ambroisie AMB 9983
3 CD • 2h 12min • 1994
01.08.2005
Künstlerische Qualität:
Klangqualität:
Gesamteindruck:
Klassik Heute
Empfehlung
Der Name Jommelli läßt eine Art Niemandsland der Oper aufleben: Italien in der zweiten Hälfte des Achtzehnten Jahrhunderts. Uferlos ist die Liste der Komponisten, die damals unermüdlich Opern produziert haben, eine nach der anderen, noch uferloser ist die Zahl der Werke selbst. Nur einzelne Gesangsnummern aus diesem – hauptsächlich von der Kastatenkunst bestimmten – musikalischen Ozean sind bekannt geworden, weil sie Eingang in die bekannten Arienalben altitalienischer Meister gefunden haben. Erst in neuerer Zeit befaßt man sich damit, vollständige Opernwerke aus dieser Epoche hervorzuholen und zu präsentieren. Jommellis opera seria Armida abbandonata aus dem Jahr 1773 (eine der zahllosen Armida-Rinaldo-Opern dieser Epoche) ist für eine solche Präsentation ein gut gewähltes Beispiel, denn das Werk zeigt in aller Klarheit, warum es einstmals erfolgreich war und warum sich dieser Erfolg nicht weiter fortplanzen konnte. Alle Macht und Pracht ist auf den vokalen Teil verlagert, das Orchester hingegen wird auf einen viel bescheideneren Platz verwiesen. Der kalte Prunk der Stimmen macht das Um und Auf der Oper aus. Da werden die Skalen in rasantem Tempo von oben bis unten durchlaufen, da wird getrillert und in höchster Lage gezwitschert, daß sich die Gedankenverbindung zu dressierten Singvögeln einstellt. Die Musik selbst aber beibt einförmig, sie ist zwar durchaus kunstvoll, besitzt aber keine Seele. Ob von Freude oder Trauer gesungen wird - die starre, eckige Form wird streng beibehalten. Einzig die fulminante Rachearie der Armida im zweiten Akt hat echt dramatisches Profil. Der Darstellerin der Titelpartie, Ewa Malas-Godlewska, gelingt mit dieser Nummer – eine Art barocker Glöckchenarie – ein Glanzstück der Aufnahme. Unglaubliches leistet der Tenorsänger Gilles Ragon (Tancredi) mit der Bewältigung von kilometerlangen Koloraturketten. Auch die übrigen Gesangskräfte wie Véronique Gens (Erminia), Laura Polverelli (Rambaldo), Patricia Petibon (Ubaldo) verblüffen und begeistern mit perfekter Gesangskultur. Einzig Claire Brua als Rinaldo kann mit ihrem halsig-verhangenen Gesangston dieses superbe Niveau nicht erreichen, besteht aber sehr gut als Bravoursängerin. Das Ensemble Les talens lyriques unter ihrem Gründer und Leiter Christophe Rousset widmet sich der Rarität mit Perfektion und sprühendem Enthusiasmus. Die Aufnahme ist zwar schon einige Jahre alt, kann aber noch immer als Paradestück für eine gelungene Barock-Wiederbelebung gelten.
Clemens Höslinger [01.08.2005]
Komponisten und Werke der Einspielung
Tr. | Komponist/Werk | hh:mm:ss |
---|---|---|
CD/SACD 1 | ||
Niccolò Jommelli | ||
1 | Armida abbandonata |
Interpreten der Einspielung
- Ewa Malas-Godlewska (Armida - Sopran)
- Claire Brua (Rinaldo - Mezzosopran)
- Gilles Ragon (Tancredi - Tenor)
- Véronique Gens (Erminia - Sopran)
- Laura Polverelli (Rambaldo - Mezzosopran)
- Patricia Petibon (Ubaldo - Sopran)
- Cécile Perrin (Dano - Sopran)
- Les Talens Lyriques (Orchester)
- Christophe Rousset (Dirigent)