Warner Classics 2564 62319-2
2 DVD-Video • 3h 57min • 1992
23.08.2005
Künstlerische Qualität:
Klangqualität:
Gesamteindruck:
Klassik Heute
Empfehlung
Nach dem zentralen Ereignis von Patrice Chéreaus „Jahrhundertring“ hat es in Bayreuth eine ganze Reihe von schwächlichen und verpfuschten Regiearbeiten von Wagners Tetralogie gegeben. Nur eine einzige davon konnte sich mit dem überragenden Muster vom Jahr 1976 messen: Harry Kupfers Version, die erstmals 1988 gezeigt wurde. Die nun vorliegende DVD-Wiedergabe der Walküre zeigt allerdings keinen Mitschnitt einer Bühnenaufführung, sondern eine eigens für Video hergestellte Fassung. Von der Suggestion, welche die damalige Bühnenproduktion ausstrahlte, hat sich trotz aller Beschränkungen, die das Ansehen und Anhören einer „Zimmeroper“ mit sich bringt, erstaunlich viel erhalten. Der ungeheure Furor, der vom ersten Moment an die Szene bewegt und belebt, läßt keine Sekunde der Spannungslosigkeit aufkommen. Und selbst in den – wegen ihrer ausufernden Länge – gefürchteten Wotan-Brünnhilde-Szenen im zweiten und dritten Akt stellt sich kein Nachlassen der Intensität ein, im Gegenteil: Gerade hier, wo sich nach Wagners Worten das eigentliche „Musikdrama“ abspielt, ereignen sich grandiose und unauslöschliche Momente. Mittelpunkt der Aufführung und zugleich der großartigste Vollstrecker von Harry Kupfers Konzept ist John Tomlinson als Wotan. Was dieser Künstler an körperlicher Agitation, die sich mitunter bis zu athletischen Kraftleistungen steigert, was dieser Sängerdarsteller an körperlicher Energie und vokaler Machtfülle verströmt, grenzt ans Unglaubliche. Den „schweifenden Gott“ hat man noch nie so drastisch und bedrohlich erlebt. Die weiteren Hauptpartien mit Poul Elming als betont maskulinem Siegmund, Nadine Secunde als warmherzige Sieglinde, Anne Evans als schlanke, fast hagere Brünnhilde, Matthias Hölle als Hunding und Linda Finnie als Fricka erscheinen als überaus prägnante, von Leben und Leid erfüllte Figuren. Daß nicht alle Sängerdarbietungen herausragendes Niveau erreichen, fällt hier nicht so sehr ins Gewicht, als markante, lebensnahe Gestalten sind sie jedoch alle richtig auf ihrem Platz.
Seinerzeit wurde über Kupfers „Kletter-Ring“ oder „Kletterdämmerung“ gewitzelt und es mag wohl sein, daß sich sanftere Gemüter von so viel Über-Aktion irritiert fühlen. Andererseits muß anerkannt werden, daß die zahlreichen Lauf- und Kletteraktionen sich durchwegs sinnvoll und einleuchtend in den szenischen Bau einfügen. Vor allem kommt ja auch die „Inwendigkeit“ des Dramas nicht zu kurz. Momente wie Anne Evans ekstatischer Gesichtsausdruck bei „Du zeugtest ein edles Geschlecht“ wird man nicht so leicht aus dem Gedächtnis verlieren. Oder den Schluß des dritten Akts, wenn Wotan sein Kind in einem aus Lichtstrahlen geformten Gitterbett in den Schlaf singt. Was diese Wagner-Wiedergabe bietet, ist aufregendes, durch und durch erfühltes Musiktheater, das auch durch Hans Schavernochs eindrucksvoll leuchtende Bühnenarbeit und Reinhard Heinrichs Kostüme ihr starkes szenisches Format erhält.
Daniel Barenboims musikalische Leitung läßt die inzwischen bekannt gewordenen Eigenheiten seiner Wagner-Interpretation klar erkennen. Es ist ein ruhiger, oft weicher Erzählton in dieser Wiedergabe vorhanden, der behutsam, ohne Aufdringlichkeit und allzustarke Massivität das ganze Werk durchzieht. Dadurch entsteht so etwas wie eine beruhigende Gegenströmung zu den exzessiven Vorgängen auf der Bühne. Nicht Gegensatz oder Widerspruch wird hier erreicht, sondern die Herstellung eines vollkommenen künstlerischen Gleichgewichts.
Horant H. Holfelds Video-Direktion fängt jedes Mienenspiel, jede Handbewegung der Akteure mit liebevoller und hochgespannter Aufmerksamkeit ein. Dadurch entsteht so etwas wie ein Subtext zu Wagners Worten und Klängen, ein Spiel der Blicke, der Lippen, der Schritte, der Bewegungen und Berührungen.
Clemens Höslinger [23.08.2005]
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Komponisten und Werke der Einspielung
Tr. | Komponist/Werk | hh:mm:ss |
---|---|---|
CD/SACD 1 | ||
Richard Wagner | ||
1 | Die Walküre |
Interpreten der Einspielung
- Poul Elming (Siegmund - Tenor)
- Nadine Secunde (Sieglinde - Sopran)
- Matthias Hölle (Hunding - Baß)
- John Tomlinson (Wotan - Baß)
- Anne Evans (Brünnhilde - Sopran)
- Linda Finnie (Fricka - Mezzosopran, Siegrune - Mezzosopran)
- Eva E. Johansson (Gerhilde - Sopran)
- Ruth Floeren (Ortlinde - Sopran)
- Shirley Close (Waltraute - Sopran)
- Hitomi Katagiri (Schwertleite - Alt)
- Eva Maria Bundschuh (Helmwige - Sopran)
- Birgitta Svendén (Grimgerde - Alt)
- Hebe Dijkstra (Roßweiße - Mezzosopran)
- Orchester der Bayreuther Festspiele (Orchester)
- Daniel Barenboim (Dirigent)