harmonia mundi HMC 801877
2 CD • 2h 30min • 2005
12.10.2005
Künstlerische Qualität:
Klangqualität:
Gesamteindruck:
Klassik Heute
Empfehlung
Daß die Händel-Renaissance auf deutschen Bühnen nicht nur einen Großteil seiner knapp 40 Opern neu belebt hat, sondern auch einige seiner Oratorien, ist nicht sehr verwunderlich. Denn Händel konnte auch in dieser Gattung den Musikdramatiker nirgends verleugnen, im Gegenteil: Durch den Verzicht auf Bravourarien und die Konzentration auf den unmittelbaren Ausdruck erscheinen diese Werke noch dichter und stringenter als die mehr dem damaligen Publikumsgeschmack verpflichteten Opern. Das gilt ganz besonders für Saul (1738), ein Werk der Reife, in dem der Komponist eine fast unerschöpfliche Klangphantasie zu erkennen gibt. Mit Orgelklang und dem Großeinsatz von Blechbläsern, Trompeten und Posaunen, schafft er einen feierlichen, pathetischen Grundduktus. Im großen Trauermarsch des letzten Bildes bilden Flöten zur Trommelbegleitung das Echo der Posaunenakkorde. Überrumpelnd ist der Einsatz eines Glockenspiels beim Huldigungschor der Israelitinnen, der schon den Librettisten Charles Jennens in Rage versetzte: „Mr. Händel hat mehr Grillen im Kopf denn je“, schrieb er an einen Freund, „gestern fand ich in seinem Zimmer ein höchst seltsames Instrument, das er Glockenspiel nennt und das in der Machart als auch im Klang so wirkt wie eine Anzahl Hämmer, die auf Ambosse schlagen. Man bedient es mittels Tasten wie ein Cembalo, und mit diesem zyklopischen Instrument plant er, den armen Saul in den rasenden Wahnsinn zu treiben.“
Concerto Köln musiziert unter der Leitung von René Jacobs mit nicht zu überbietender Eloquenz und emotionaler Dringlichkeit und vollbringt Klangwunder ohne Unterlaß. Die Sänger zeigen sich nicht nur den stilistischen und technischen Anforderungen gewachsen, sondern schaffen auch plastische Charaktere und sind in jedem Augenblick dramatisch präsent. Lawrence Zazzo hat sich in den letzten Jahren zu einem erstklassigen Vertreter des Countertenorfaches entwickelt und verleiht der Partie des David bestrickenden Wohllaut. Letzteres gilt ohne Einschränkungen auch für den lyrischen Sopran Rosemary Joshuas in der Partie der Michal, die sich in der Klangfarbe von Emma Bells hoffärtiger Merab angemessen absetzt. Der Tenor Jeremy Ovenden ist ein klangschöner, innig singender Jonathan. Der Gesang des Baßbaritons Gidon Saks wirkt im Vergleich zu den Kollegen etwas grob, doch gestaltet er den zerrissenen Charakter des Saul sehr expressiv. Starke Akzente in kleinen Rollen setzen der Bariton Henry Waddington als Samuel und der Tenor Michael Slattery als Hexe von Endor. Das Klangbild trägt ein Übriges zu einem ungetrübten Händel-Fest bei. Eine Aufnahme, die man immer wieder hören möchte.
Ekkehard Pluta [12.10.2005]
Komponisten und Werke der Einspielung
Tr. | Komponist/Werk | hh:mm:ss |
---|---|---|
CD/SACD 1 | ||
Georg Friedrich Händel | ||
1 | Saul HWV 53 (Oratorium in drei Akten) |
Interpreten der Einspielung
- Rosemary Joshua (Sopran)
- Emma Bell (Sopran)
- Lawrence Zazzo (Countertenor)
- Jeremy Ovenden (Tenor)
- Michael Slattery (Tenor)
- Finnur Bjarnason (Tenor)
- Henry Waddington (Bariton)
- Gidon Saks (Bassbariton)
- RIAS Kammerchor (Chor)
- Concerto Köln (Orchester)
- René Jacobs (Dirigent)