OehmsClassics OC 599
1 CD • 50min • 2006
02.11.2006
Künstlerische Qualität:
Klangqualität:
Gesamteindruck:
Händel-Raritäten vereint diese CD, und man könnte angesichts dieses Programms durchaus auf den Gedanken kommen, sie enthalte Händels Beitrag zu einem Treffen mit dem Leipziger Kollegen Bach, zu dem es ja leider nie gekommen ist (sonst wäre die Welt um ein plakatives Theaterstück ärmer!). Man weiß, Bach und Händel schätzten einander, sicher wussten sie um ihre Unterschiede, sicher war Händel nicht der polternde Trunkenbold, ebenso sicher war Bach nicht der kleinliche und ehrpusselige Provinzmusiker, wie Peter Shaffers Bühnenkarikaturen das Publikum glauben machen wollen. Das Treffen ist nicht zustande gekommen, und vielleicht ist es auch gut so, denn starke Persönlichkeiten und konträre Charaktere waren die beiden allemal.
Edgar Krapp, der schon in den 1970er Jahren eine bemerkenswerte Einspielung der Händel-Suiten vorgelegt hatte, präsentiert hier eine Cembalosuite, zwei Fugen für Orgel und einige kleine Stücke für eine Flötenuhr, der ebenfalls auf der Orgel vorgetragen. Edgar Krapp erweist sich auch hier als berufener Sachwalter Händelscher Interessen: prachtvoll in der repräsentativen Suite, in den beiden Fugen einfühlsam den Wurzeln der Stücke nachspürend, die deutlich nicht in der norddeutschen Orgelkunst liegen (wie vorwiegend beim Kollegen Bach), sondern österreichischen (und somit am italienischen Vorbild ausgerichteten) Mustern folgen. Auch die Stücke für die mechanische Flötenuhr nimmt Krapp als Musik ernst, er gestaltete folglich kein Marionettentheater, sondern durchgestaltete musikalische Abläufe in kurzen Zeiträumen.
Das Herzstück dieser CD ist allerdings die erstmalige Aufnahme der Kantate Crudel Tiranno Amor in der Version eines in der Bayerischen Staatsbibliothek in München im Jahr 2004 aufgefundenen Originalmanuskript Händels, das ganz entgegen den üblichen Gepflogenheiten des Komponisten auch eine Notierung des Generalbasses enthält. Händel, offenbar noch ungeduldiger als Bach, hielt es normalerweise nicht für nötig, seinen Schaffensprozess, der sich in atemberaubender Geschwindigkeit vollzog, durch die Notierung von Stimmen zu verlangsamen, deren musikalischer Verlauf ohnehin jedem gebildeten Musiker seiner Zeit klar war und die obendrein noch eine gewisse improvisatorische Freiheiten der Ausführenden garantierten, wenn deren musikalische Fähigkeiten es denn zuließen, dass sie über das allgemein verständliche Mindestmaß der Beteiligten am musikalischen Geschehen sich herauswagen konnten, ohne die Hauptbeteiligten der musikalischen Aktion in ihren Rollen zu stören. Damit ist diese Manuskript natürlich auch ein unschätzbares Juwel für alle, die Händels eigene Auffassung von den Stimmen erfahren möchten, deren Ausführung er normalerweise dem guten Geschmack seiner Zeitgenossen überließ. Die erstmalige Ausführung des Manuskripts kann also gut den Charakter einer Uraufführung für sich beanspruchen, sie ist auf dieser CD dokumentiert.
Leider werden weder die sängerische Leistung noch die Klangqualität der Aufnahme der Bedeutung dieses Ereignisses gerecht. Es ist enttäuschend, wenn man einer ehemaligen Opernsängerin anhört, warum sie jetzt im Konzertsaal singt, doch das ist leider bei Sylvia Greenberg der Fall; vom Glanz einer Koloraturstimme ist hier wenig zu vernehmen. Dafür umso mehr Vor- und Rüchsicht bei den begleitenden Musikern: Sie agieren, als wären sie emsig darauf bedacht, die Sängerin nicht zu mehr Verve und dramatischem Einsatz zu ermuntern, so dass von Edgar Krapps lebendiger Vorstellung Händelscher Musik nicht mehr viel übrig bleibt.
Detmar Huchting [02.11.2006]
Komponisten und Werke der Einspielung
Tr. | Komponist/Werk | hh:mm:ss |
---|---|---|
CD/SACD 1 | ||
Georg Friedrich Händel | ||
1 | Suite Nr. 7 g-Moll HWV 432 (Bd. I/7 - aus: Suite HWV 0426) | |
2 | Fuge op. 3 No. 1 HWV 605 (from: Six fugues or voluntaries for the organ or harpsichord) | |
3 | Fuge minor op. 3 No. 5 HWV 609 (from: Six fugues or voluntaries for the organ or harpsichord) | |
4 | A Voluntary or a Flight of Angels major HWV 600 | |
5 | Sonate C-Dur (aus: 18 Pieces for a Musical Clock) | |
6 | Air C-Dur HWV 601 (aus: 18 Pieces for a Musical Clock) | |
7 | Menuet a-Moll HWV 602 (aus: 18 Pieces for a Musical Clock) | |
8 | Menuet a-Moll HWV 603 (aus: 18 Pieces for a Musical Clock) | |
9 | Air F-Dur HWV 587 (aus: 18 Pieces for a Musical Clock) | |
10 | Air a-Moll HWV 604 (aus: 18 Pieces for a Musical Clock) | |
11 | Allegro C-Dur HWV 473 (aus: 18 Pieces for a Musical Clock) | |
12 | Gigue C-Dur HWV 599 (aus: 18 Pieces for a Musical Clock) | |
13 | Crudel tiranno amor HWV 97b (Cantata con stromenti) |
Interpreten der Einspielung
- Sylvia Greenberg (Sopran)
- Edgar Krapp (Orgel, Cembalo)
- Wen-Sinn Yang (Violoncello)