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Besprechung CD/SACD

Hector Berlioz

Requiem

SWRmusic 93.131

2 CD/SACD • 1h 26min • 2003

06.04.2006

Künstlerische Qualität:
Künstlerische Qualität: 6
Klangqualität:
Klangqualität: 8
Gesamteindruck:
Gesamteindruck: 7

In den 1980er Jahren, als der Boom der Alte-Musik-Praxis auch auf Musik des 19. Jahrhunderts ausgriff, hatte Roger Norrington seinerzeit vielbeachtete Aufnahmen von Musik der Frühromantik vorgelegt; im Falle der sinfonischen Musik Berlioz’ faszinierten damals nicht zuletzt die bis dahin vergessenen Instrumentalfarben, etwa die bald aus der Mode gekommene Ophekleide. Mittlerweile musizieren die Protagonisten der Alte-Musik-Szene auch gerne mit herkömmlichen Orchestern zusammen, und gerade im Vergleich mit den früheren Berlioz-Einspielungen interessiert natürlich an Norringtons vorliegender Spielart der Grande messe de morts op. 5 besonders, wie er mit dem Radio-Sinfonieorchester Stuttgart des SWR arbeitet, das ja auf modernen Instrumenten spielt.

Tatsächlich hat Norrington mit dem Orchester, dem er seit 1998 vorsteht, eine in sich geschlossene und überzeugende Weise des „historisch informierten Musizierstils“ entwickelt, wie es der Beitext zu Recht formuliert. Im Allgemeinen verbindet das Orchester das Volumen der neuen Instrumente mit der Transparenz der historischen Instrumente, was sich besonders im schlanken Blech und der vergleichsweise hohen Präsenz der Holzbläser im Tutti zeigt. Gemeinsam mit dem prächtigen und ausgeglichenen chorischen Zusammenschluß des SWR Vokalensemble Stuttgart und des MDR-Rundfunkchors Leipzig gelingt hier eine Version, die beeindruckend klangschön gelungen ist. Auch das lyrische Sanctus-Solo von Toby Spence fügt sich in dieses Bild.

Abgesehen von der polierten Oberfläche ist der größte interpretatorische Vorzug die Natürlichkeit des Musizierens, sofern diese bei einer solchen hybriden Komposition überhaupt zu erzielen ist. Dennoch hinterläßt die Aufnahme letztlich einen unentschiedenen und blassen Eindruck, gerade im Vergleich zu so profilierten Versionen wie denen von Colin Davis oder Leonard Bernstein. Das liegt daran, daß Norrington Berlioz’ immensem Ausdrucksbedürfnis, das sich durch den Besetzungsaufwand auch sehr direkt äußert, nicht immer gerecht wird, weil er die ständigen Expressions-Angaben Berlioz’ – „dolce“, „sotto voce“, „mit dem Ausdruck der Demut und Furcht“ usw. – nicht mit dem nötigen Nachdruck befolgen läßt. Weder die Prachtentfaltung noch die häufigen „silence“-Stellen sind wirklich suggestiv gestaltet. Die monumentalen zeitlichen und räumlichen Dimensionen des Werkes, die über große Strecken hinweg ja durch eine sehr sparsame Stimmenzahl gebildet werden, sind jedoch nur zu erfüllen, wenn jeder Augenblick bis zum Bersten mit Leben und Emphase erfüllt ist.

Die von Norrington bevorzugte Ausdrucksebene jedoch ist ein zum Lyrischen tendierendes, leicht seraphisches Musizieren, was dem gesamten Werk seine einkomponierte Widerständigkeit nimmt. Besonders stark rächt sich der weitgehende Verzicht auf eine präsente Durchgestaltung der einzelnen Linien in den a cappella-Passagen. Hier wiederholt sich ein Fehler, der die Anfänge der Aufführungspraxis von Chormusik der Renaissance durchzogen hatte: Die bloß statische, dynamikarme Deklamation der einzelnen Linien. Kaum mag man glauben, daß hier ein Live-Mitschnitt vorliegt. Daß es dennoch so ist, wird weniger durch Vorhandensein eines „Konzerterlebnisses“ vermittelt als durch winzige Imperfektionen in der Koordination der vier Blechbläserchöre des Dies irae. Interessanterweise sind gerade solche Momente besonders stark, weil die bisweilen verwackelten Einsätze die immense Raumdimension deutlicher machen als dies eine perfekte, aber dynamisch wenig reliefartige Koordination tun könnte.

Prof. Michael B. Weiß [06.04.2006]

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Komponisten und Werke der Einspielung

Tr.Komponist/Werkhh:mm:ss
CD/SACD 1
Hector Berlioz
1Grande messe des morts op. 5 (Requiem)

Interpreten der Einspielung

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