cpo 777 063-2
2 CD/SACD stereo/surround • 1h 36min • 2004
20.06.2006
Künstlerische Qualität:
Klangqualität:
Gesamteindruck:
Dieselbe Bewegung, die vor einigen Jahren das Schaffen des seinerzeit weltberühmten Johann Adolph Hasse in das Bewusstsein heutiger Musikfreunde zurückrief, bringt jetzt auch wieder verstärkt die Werke Johann Gottlieb Naumanns (1741-1801) ans Licht, der – zu Lebzeiten hoch geschätzt – nach seinem Tod ebenso schnell wie gründlich in Vergessenheit geriet. Ein ausschließlich vorwärts gerichtetes kulturelles Bewusstsein begnügte sich mit der zwar exquisiten, doch auch kleinen Auswahl der drei Wiener Klassiker, um die Zeit vor dem eigenen, in steter Vervollkommnung begriffenen Musikleben abzudecken. In der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts, als das zeitgenössische Musikschaffen einem breiten Publikum mehr und mehr unlösbare Rätsel aufgab, relativierte sich die Mär vom steten Fortschritt gewissermaßen von selbst, mutig nahmen einige die Scheuklappen des Vorwärtsblicks ab, und so präsentiert sich heute einem breiten Publikum die tausendjährige europäische Musikkultur in all ihrer Breite, zu der zweifellos auch Naumann gehört.
Naumanns großes, 1805 posthum aufgeführtes Oratorium Betulia liberata lebt noch ganz von der Bestimmung des italienischen Oratoriums im Hoch- und Spätbarock: Ersatz zu bieten für den während der Fastenzeit einzustellenden Opernbetrieb. Damit weiß es sich in der Zielsetzung einig mit Metastasios Libretto, das 1734 entstanden war. Ein modern eingestellter Zuhörer der Uraufführung dürfte der meisterlichen Komposition seinen Respekt nicht versagt haben, doch muss angesichts des Wirkens Ludwig van Beethovens Naumanns damals etwa zehn Jahre alte Werk extrem zopfig geklungen haben.
William Christie erklärte den Erfolg der zweihundert oder dreihundert Jahre alten Musik, die er und seine Mitstreiter an der Front der historisch informierten Aufführungspraxis zum Klingen bringen, damit, dass sei für heutige Zuhörer alles Neue Musik, noch nie Gehörtes. So bietet Hermann Max die Betulia liberata auch dar: Wir sind der heroischen und gefühlsbeladenen Attitüden des 19. Jahrhunderts vielleicht ebenso müde geworden wie der Zeitgenosse von 1805 der Formeln der italienischen Oper à la Hasse und hören Naumanns Klänge heute mit dem Beigeschmack des Unerhörten, den sie seinerzeit gar nicht hatten.
Max hat sich für seine Aufnahme eines vorzüglichen Sängerensembles versichert, aus dem besonders Markus Schäfer mit Klangschönheit heraussticht, während die Stimme von Nele Gramß im Vergleich zu sehr präsenten Salomé Haller manchem etwas zu ätherisch erscheinen mag. Das Klangbild bevorzugt bei den Arien das Orchester und stellt die Sänger dann beim Rezitativ etwas ruckartig wieder in den Vordergrund.
Detmar Huchting [20.06.2006]
Komponisten und Werke der Einspielung
Tr. | Komponist/Werk | hh:mm:ss |
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CD/SACD 1 | ||
Johann Gottlieb Naumann | ||
1 | Betulia Liberata (Oratorium) |
Interpreten der Einspielung
- Markus Schäfer (Ozia - Tenor)
- Nele Gramß (Giuditta - Sopran)
- Salomé Haller (Amital - Sopran)
- Harry van der Kamp (Achior - Bass)
- Hans-Jörg Mammel (Carmi - Tenor)
- Rheinische Kantorei (Chor)
- Das Kleine Konzert (Orchester)
- Hermann Max (Dirigent)