J.S. Bach
Cantatas Vol. 34
BIS CD 1551
1 CD/SACD stereo/surround • 60min • 2005
22.02.2007
Künstlerische Qualität:
Klangqualität:
Gesamteindruck:
An mittlerweile gut über dreißig Folgen läßt sich das gleichbleibend beachtliche Niveau und die peinliche Sorgfalt des sicher fortschreitenden Zyklus Bach’scher Kantaten unter der Stabführung des Japaners Masaaki Suzuki verfolgen. Choristen und Instrumentalisten sind auch im internationalen Vergleich von höchster Qualität; der japanische Chor verbindet Intonationsreinheit mit genügender Sprachdeutlichkeit, sowohl die Streicher als auch die Bläser definieren ihre Linien blitzsauber und dennoch klangvoll. Dazu steuert Suzuki am Pult stets eine wohltuende Ruhe bei, die ihn etwa von der Emsigkeit und latenten Nervosität seines europäischen Lehrers und Mentors Ton Koopman scharf unterscheidet. In ihren besten Momenten – und es finden sich sehr viele geradezu beglückende Aufnahmen innerhalb des beständig wachsenden Zyklus’, der auch große Oratorienwerke und Werke aus Bachs zeitlichem Umfeld umfaßt – atmet die Musik die überirdische Ruhe eines in sich perfekten Kosmos; diese Deutung dürfte dem metaphysischen wie dem ästhetischen Weltbild des Komponisten bestens entsprechen.
Bisweilen wirkt Suzukis angenehme Ruhe jedoch auch ein wenig stoisch, und zwar besonders dann, wenn die Musik selbst zielgerichtet auf Höhepunkte zusteuert, die Interpretation jedoch tendenziell statisch bleibt. Ein Beispiel für diesen Befund ist der Eingangschor zur Kantate Wie schön leuchtet der Morgenstern BWV 1. Zwar sind die einzelnen Motive in sich dynamisiert, kennen durchaus kleine Binnen-Höhepunkte; diese Dynamik jedoch wird nicht auch auf der Makroebene verwirklicht: Die einzelnen Choraltöne des den ganzen Satz überwölbenden Soprans stehen jeweils für sich isoliert, verbinden sich nicht zu einer riesenhaften Linie. Als Ganzes kann der Satz so keine Entwicklungskurve beschreiben. Suzuki befindet sich damit wohlgemerkt im Einklang mit der herrschenden Barock-Ästhetik, die er makellos verwirklicht; aber es ist doch zu fragen, ob man Bachs Musik von ihrer blutvollen Emotionalität tatsächlich so ganz befreien sollte.
Dazu kommt ein wiederum für die gesamte historisierende Aufführungspraxis typischer Hang zur Sterilität. Das großartige Baß-Arioso der Kantate Herr Jesu Christ, wahr’ Mensch und Gott BWV 127 mit seinen eschatologischen Trompeten wird zwar sehr entschlossen angelegt, aber die hier auskomponierte Physis wird nicht verwirklicht, weil die Klänge zu wenig in überwältigender Pracht oder auch einmal in ihrer naturhaften Geräuschhaftigkeit gesetzt werden. Zur Blässe dieser Situation trägt wohl hier auch der in unzähligen Aufnahmen seltsam unbeteiligt wirkende Peter Kooj bei, der zu sehr nur auf neutralen Schöngesang bedacht ist.
Generell hat Suzuki mit seinen Solisten jedoch stets eine sehr glückliche Hand. Auf dieser Folge ragt die wunderbare Carolyn Sampson heraus mit ihrem schlanken und beweglichen Sopran. Ihre große Arie Die Seele ruht in Jesu Händen wird denn auch zum Höhepunkt dieser Aufnahme: Suzuki kreiert mit einer sehr delikaten Mischung aus Pizzicati, Blockflöten-Staccati und Oboen-Ariosi eine geradezu einzigartige, kristalline Atmosphäre, in die sich der zarte Gesang der Sampson bruchlos einfügt. Wenn die Musik selbst Suzukis diskreter Ästhetik auch nur ein wenig entgegenkommt, erwarten den Hörer wahre Wunder.
Dieter Weiss [22.02.2007]
Komponisten und Werke der Einspielung
Tr. | Komponist/Werk | hh:mm:ss |
---|---|---|
CD/SACD 1 | ||
Johann Sebastian Bach | ||
1 | Wie schön leuchtet der Morgenstern BWV 1 (Kantate) | |
2 | Erhalt uns, Herr, bei deinem Wort BWV 126 (Kantate) | |
3 | Herr Jesu Christ, wahr' Mensch und Gott BWV 127 (Kantate) |
Interpreten der Einspielung
- Bach Collegium Japan (Orchester)
- Masaaki Suzuki (Dirigent)