Sigfrid Karg-Elert Piano Works Vol. 4
cpo 999 773-2
1 CD • 74min • 2004
08.08.2007
Künstlerische Qualität:
Klangqualität:
Gesamteindruck:
Der Entdeckungen kein Ende! Man darf dem aus der Frankfurter Umgebung stammenden, rund 50 Jahre alten Ernst Breidenbach mehr als dankbar sein, wenn mit der vierten Folge von Miniaturen aus dem Nachlass Siegfried Karg-Elerts beispielsweise die wundersamen 29 Mosaik-Stücke op. 146 der Nachwelt zur Verfügung gestellt werden. Ja mehr noch, nämlich nicht nur zur geflissentlichen, gleichsam im Vorübergehen abzuhakenden Hörlektüre, sondern als eine knappe halbe Stunde abenteuerlichen, amüsanten, gewitzten akustischen Bonsai-Erlebens. Karg-Elert hat das in eine dreisätzige a-Moll-Sonatine und eine 26-teilige Suite in e-Moll aufgeteilte Mosaik als "instruktive Stücke für Klavier" herausgegeben. Zu Recht geben die Co-Autoren Breidenbach und Marcus Imbsweiler im (vorbildlichen!) Begleitheft zu bedenken, dass instruktive Merkmale im Sinne eines pädagogisch motivierten Lern- und Ausführbarkeitsanspruchs fehlten. Und weiter: "Karg-Elerts Zyklus ruft vielmehr eine ganze Reihe traditioneller Unterrichtswerke auf, um diese zu parodieren: leichte Sonatinen á la Kuhlau, Schumanns ,Album für die Jugend', vor allem aber die zahlreichen Klavierschulen des musizierenden Bürgertums mit ihren beschaulich programmatischen Stückchen." Weit gefehlt jedoch, wenn man nun eine Folge liebevoll karikierender Artigkeiten im tänzerischen Duktus (Rigaudon, Sarabande, Tarantella) oder im Klangbilderformat musisch verbrämter Poesiealben erwarten würde ("Blasse Blume", "Bescheidenes Mädchen"). Karg-Elert wagt sich per Titel und mit seinen klavieristischen Inventionen durchaus auf ungemütliches Terrain. Überschriften und die entsprechenden pianistischen Aktualisierungen beweisen es. Titel wie "Die Russen haben ihren Takt für sich!", "Neu-Chinesisch klingt aber ulkig!", "Blasierter Gent" oder "Parallele Libellen nebst einem atonalen Kuckuck" nähren den Verdacht, hier gäre es in der Seele des Autors, hier versteckten sich Meinungen und Befunde eines Komponisten, der sich Anfang der 30er Jahre mit seinem Schaffen in einer ungemütlichen Kulturperiode bewegte bzw. verharrte. Und gänzlich verquer mutet die Nummer 24 der Serie an: "Puh! Die essen ja Menschenfleisch!" (Senza fisso ritmo). Kein fixierter Takt also, dafür düstere, undefinierbare Geräusche aus der Tiefe des Klangangebots, schließlich ein "tumultöses Ende und Karg-Elerts (zu singende? mitzudenkende? zu schreiende?) Textunterlegung ,njan-ja-h'". Breidenbach hat sich entschlossen, kräftig zu fauchen, zu schnarren. Posthume Gründe dafür gibt es genügend, denn das Mosaik erschien noch im Todesjahr 1933 im dänischen Verlag Wilhelm Hansen. Den Machthabern und jenen, die sich endgültig der Macht versicherten, war Karg-Elert nicht ganz geheuer. Sein "Internationalismus" machte ihn verdächtig: "Ich liebe die Kunst und die Wissenschaft an sich, wo sie sich ,rein' vorfindet, die politischen Grenzen haben für mich nicht die geringste Bedeutung."
Hilfreich für den Hörgebrauch der Einspielung, für die Zuordnung der vielen Einzeltitel wäre es, wenn man von redaktioneller Seite her in Zukunft nicht nur die Tracknummern, sondern auch die internen Werk- bzw. Stücknummern angeben würde. Im Gesamtprogramm der CD ist die erwähnte Menschenfresser-Studie die Nummer 41, bis man jedoch die entsprechende Nummer 24 der Mosaik-Sammlung abgezählt hat, bedarf es unnötiger Mühe.
Peter Cossé † [08.08.2007]
Komponisten und Werke der Einspielung
Tr. | Komponist/Werk | hh:mm:ss |
---|---|---|
CD/SACD 1 | ||
Sigfrid Karg-Elert | ||
1 | Exotische Rhapsodie op. 118 | 00:14:01 |
2 | Zwielicht Impressionen | 00:04:33 |
5 | Heidebilder op. 127 (10 kleine Impressionen) | 00:17:00 |
15 | Zwei Klavierstücke op. 22 | 00:08:03 |
17 | Nächtlicher Regen (Eine Impression) – Leise bewegt, subtil und meist verschleiert | 00:02:53 |
18 | Mosaik op. 146 (29 kleine instruktive Stücke für Klavier) | 00:27:27 |
Interpreten der Einspielung
- Ernst Breidenbach (Klavier)