Gautier d'Épinal Remembrance
Challenge Classics CC72190
1 CD • 61min • 2006
04.04.2008
Künstlerische Qualität:
Klangqualität:
Gesamteindruck:
Gautier d’Épinal galt bisher in der wissenschaftlichen Literatur über das Mittelalter als lothringischer Trouvère, Abkömmling eines zwischen dem 11. und 14. Jahrhundert unter dem Namen der Stadt Épinal bekannten Adelsgeschlechts. Das stets französischsprachige Épinal liegt heute im Département Vosges, gehörte damals aber als Teil des Herzogtums Lothringen zum Heiligen Römischen Reich Deutscher Nation. Gautier d’Épinal wurden etwa 15 bis 30 Chansons zugeschrieben.
Durch die Forschungen des Frankfurter Professors Robert Lug, 2007 in einer wissenschaftlichen Veröffentlichung dokumentiert, erfuhr das Bild dieses „mittelalterlichen Kleinmeisters“ eine revolutionierende Umdeutung: Lugs Forschungen zufolge war Gautier d’Épinal kein Trouvère, sondern ein Kleriker und Neffe des Bischofs von Metz, damals mit ihren 30.000 Einwohnern die fünftgrößte Stadt im nordalpinen Europa. Dass Kleriker damals sich auch an der Troubadour/Trouvère-Lyrik beteiligten, war in sich noch keine bahnbrechend neu Erkenntnis, doch platziert diese Neuzuordnung Gautier d’Épinal in den Zusammenhang kriegerischer Auseinandersetzungen zwischen Stadtbevölkerung und Bischof von Metz um die Vorherrschaft in der Stadt und weiter noch in den Kontext des Hundertjährigen Krieges zwischen dem benachbarten Frankreich und England. Diese Position verleiht seinen Texten eine bisher unterschätzte Bedeutung, da die in ihnen zum Ausdruck gebrachten Sehnsüchte nicht mehr nur als Konventionen einer traditionellen höfischen Kultur zu verstehen sind. Sie stellen sich vielmehr als Sehnsucht nach einer friedvollen Vergangenheit dar und spiegeln gleichzeitig die desillusionierten Hoffnungen eines Menschen, der weiß, dass es das gern besungene Goldene Zeitalter nie gab und nie geben wird. So erklärt sich der gravitätische Unterton im gesamten Œuvre Gautiers: Selbst Schilderungen der Freude und des Triumphes der Liebe haben bei ihm den Beigeschmack eines Klagegesangs über die Begrenztheit des menschlichen Daseins.
Im Lichte dieser neuen Erkenntnisse sind auch die Interpretationen des Ensemble Syntagma nicht vorrangig von jenem positiven Grundton geprägt, der so vielen Darbietungen mittelalterlicher Musik zueigen ist. Eine gewisse Gravität des Vortrags lässt den Zuhörer dieser CD gelegentlich innehalten und den verborgenen emotionalen Tiefen nachsinnen, die sich in dieser unseren heutigen Ohren doch sehr fremden Musik spiegeln.
Detmar Huchting [04.04.2008]
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Komponisten und Werke der Einspielung
Tr. | Komponist/Werk | hh:mm:ss |
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CD/SACD 1 | ||
Gautier d' Épinal | ||
1 | Aymans fins et verais | 00:04:10 |
2 | Quand je voi l'erbe menue | 00:04:45 |
Anon. | ||
3 | Chanson (Rondeau aus dem Roman du Fauvel) | 00:02:54 |
Gautier d' Épinal | ||
4 | Desconfortez et de joie parti | 00:05:11 |
5 | Pius qu'il m'estuet de ma dolour | 00:02:40 |
Colin Muset | ||
6 | Trop volontiers chanteroie | 00:02:44 |
Gautier d' Épinal | ||
7 | Aymans fins et verais | 00:05:36 |
8 | Outrecuidiers et ma fole pensee | 00:05:08 |
Anon. | ||
9 | Estampie (aus dem Roman du Fauvel) | 00:02:33 |
Jacques de Cysoing | ||
10 | Chanson | 00:02:23 |
Gautier d' Épinal | ||
11 | Par son dolz comandemant | 00:04:20 |
12 | Commencement de douce saison bele | 00:03:31 |
Jehannot de l' Escurel | ||
13 | Estampie | 00:04:00 |
Gautier d' Épinal | ||
14 | Amours et bone volontez | 00:03:43 |
15 | Quand je voi l'erbe menue | 00:04:45 |
Gautier de Coincy | ||
16 | Chanson | 00:02:16 |
Interpreten der Einspielung
- Ensemble Syntagma (Ensemble)