Poissance d'amours mystiques, moines et ménestrels en Brabant au XIIIe siècle
Glossa GCD P32103
1 CD • 77min • 2007
10.07.2008
Künstlerische Qualität:
Klangqualität:
Gesamteindruck:
Klassik Heute
Empfehlung
„Die Macht der Liebe ist der Antrieb, der die Mystiker, Mönche und Minnesänger im Brabant des 13. Jahrhunderts verbindet“ – so Björn Schmelzer in seiner hervorragenden CD-Einführung, die nicht nur Liebhabern mittelalterlicher Musik viel zu bieten hat, sondern auch Historikern und Musikwissenschaftlern.
Das reichhaltige und einzigartige musikalische Erbe Brabants lässt noch viele Fragen offen, auch in Bezug auf die Aufführungspraxis. Unterschiedliche musikalische Gepflogenheiten bestanden nicht nur zwischen geistlicher und weltlicher Musik, sondern auch zwischen den Gesängen verschiedener Orden, wie den Dominikanern und Zisterziensern, sowie denen der Mystikerinnen Hadewijch von Brabant oder Beatrice von Nazareth. Dazu kommt noch eine Notation, die keine bestimmte Besetzung vorsah und unterschiedliche Interpretationen erlaubte. Was Björn Schmelzer und sein Ensemble Graindelavoix hier in stellenweise experimenteller Herangehensweise und mit Hilfe von Rekonstruktionen ans Tageslicht befördern, hat aber nicht nur einen immensen Repertoirewert, sondern ist ein absoluter Hörgenuss von grandioser atmosphärischer Dichte und Spannung.
Das brillant gestaltete und zusammengestellte Programm beinhaltet Lieder des Herzogs Hendrik III von Brabant und von mittelalterlicher Mehrstimmigkeit zeugende Gesänge Goswin van Bossuts aus der Zisterzienserabtei Villers, etwa die Hymne Gaude Mater ecclesia oder der sehr melismatische Satz Fuit in Bruxella quidam adolescens. Dazu kommen Gesänge zur Krönungszeremonie Maria von Brabants, die sich aus dem Codex Montpellier speisen, der in großen Teilen die höfische Musikkultur Leuvens, der Hauptstadt Brabants, wiederspiegelt. Neben instrumentalen Estampien des Minnesängers Tassin finden sich auf dieser auch klanglich hochwertigen Produktion unter anderem Lieder der Mystikerin Hadewijch von Brabant und die Sequenz O Ecclesia Hildegard von Bingens, die enge Beziehungen zu der Zisterzienserabtei von Villers pflegte.
Die hier versammelten weltlichen und geistlichen Schöpfungen vermitteln einen Eindruck der damals üblichen Stile und entfalten in ihrer beinahe schon hypnotisierenden Wiedergabe durch das Ensemble Graindelavoix eine ungeheure Expressivität. Björn Schmelzer scheint der ursprünglichen Kraft dieser Musik zu vertrauen und kombiniert klassisch geschulte Stimmen mit Sängern aus dem Bereich der Ethnomusik, was ein unerhörtes, zu gleichen Teilen schwereloses wie erdiges Klangbild zur Folge hat. Hier zählt keine künstlich erzeugte Homogenität, sondern allein Ausdruck und eine immer wieder sehr urwüchsige Musizierhaltung. Das Neben- und Miteinander von glockenhellen, warmen, kehligen oder nasalen Stimmen führt durch die unterschiedlichen Ausdruckswelten dieser Gesänge auf faszinierend natürliche Weise und ist schlichtweg ein Ereignis; man höre nur Hadewijch von Brabants Ay, in welken soe verbaert die tijt, das Strophenlied Amour m’est u cuer entree von Herzog Hendrik III. oder Goswin van Bossuts Gaude Maria filia Syon.
Leider fehlen im Booklet Angaben zu den Ausführenden. Das ist zwar bedauerlich, schmälert aber in keiner Weise den Genuss dieser einzigartigen Musik und ihrer betörenden Wiedergabe.
Christof Jetzschke [10.07.2008]
Komponisten und Werke der Einspielung
Tr. | Komponist/Werk | hh:mm:ss |
---|---|---|
CD/SACD 1 | ||
Hildegard von Bingen | ||
1 | O Ecclesia | 00:07:20 |
Goswin de Bossut | ||
2 | Fuit in Bruxella quidam adolescens | 00:05:09 |
3 | Gaude Mater ecclesia | 00:04:56 |
Hadewijch van Brabant | ||
4 | Ay, in welken soe verbaert die tijt | 00:03:42 |
5 | Men mach den nuwen tijt | 00:05:28 |
Henri III de Brabant | ||
6 | Amors m'est u cuer entree | 00:02:49 |
7 | Se kascuns del monde savoit | 00:04:07 |
Tassin | ||
8 | Chose Tassin I | 00:02:22 |
Carasaus | ||
9 | N'est pas saiges ki mi torne a folie | 00:03:51 |
Anon. | ||
10 | Amours dont je sui espris - L'autrier au douz mois d'avril - Chose Tassin I | 00:01:14 |
Henri III de Brabant | ||
11 | Biau Gillebert, dites, s'il vos agree | 00:03:41 |
Anon. | ||
12 | Instrumentalstück | 00:02:08 |
13 | De chanter me vient talens - Bien doi boine Amor / Chose Tassin II | 00:01:24 |
Henri III de Brabant | ||
14 | L' autrier estoie montez | 00:02:18 |
Anon. | ||
15 | Entre Jehan et Philippet - Nus hom ne puet desiervir - Chose Tassin III | 00:00:51 |
16 | Chose Tassin III | 00:02:17 |
Perrin d'Agincourt | ||
17 | Quant voi le felon tens finé | 00:04:44 |
Jehan Erart | ||
18 | Je ne cuidai mes chanter | 00:02:41 |
trad. | ||
19 | Propter nimiam caritatem suam | 00:03:12 |
Goswin de Bossut | ||
20 | Exaltent nomen Domini | 00:02:27 |
21 | Gaude Maria filia Syon | 00:05:35 |
Hadewijch van Brabant | ||
22 | Het sal die tijt ons naken sciere | 00:02:49 |
Interpreten der Einspielung
- Graindelavoix (Ensemble)
- Björn Schmelzer (Leitung)