Fritz Wunderlich
Schubert

SWRmusic 93.180
1 CD • 54min • 1964
21.10.2009
Künstlerische Qualität:
Klangqualität:
Gesamteindruck:
So verdienst- und wertvoll die Hänssler-Serie mit ihren Veröffentlichungen aus dem Archiv des Südwestdeutschen Rundfunks auch ist, können doch auch gewisse Bedenken nicht unterdrückt werden. So wäre es kaum vorstellbar, dass Fritz Wunderlich, wäre er heute er noch am Leben, sein Einverständnis zur Platten-Publikation dieses Liederkonzerts (aufgenommen am 5. Februar 1964 im Kammermusikstudio des SWR) gegeben hätte. Es handelt sich zwar um einen Gesangsvortrag ohne Tadel, die Stimme klingt vielleicht nicht ganz so locker und fließend wie in anderen Aufnahmen, aber was in dieser Wiedergabe von Schuberts Liederkreis befremdet, sind die vielen Erleichterungen, die sich der Sänger dafür zurechtgelegt hat. So lässt er gleich beim ersten Lied (Das Wandern) zwei Strophen weg, überhaupt wird bei sämtlichen Strophenliedern die Zahl auf drei reduziert, was eigentlich – und nicht nur beim sechsteiligen Schlusslied – eine Unmöglichkeit und ein Verstoß gegen Schubert ist, den sich seither kaum je ein anderer Sänger erlaubt hat. Weiterhin: ein Tenor mit so blühend schöner Höhenlage nimmt bei nicht weniger als fünf Liedern (darunter Morgengruß, Der Müller und der Bach und Des Baches Wiegenlied) eine Transponierung nach unten um einen Halbton vor, wodurch das Gleichgewicht der Komposition völlig durcheinander gerät.
Gewiß, man wird verstehen, daß Wunderlich in seiner damaligen Situation von Konzertsaal zu Konzertsaal reisen (und hetzen) musste, und dass er zugleich auch seine gesanglichen Kräfte nach Möglichkeit schonen wollte. Andererseits – ein solcher „gekappter“ Liederabend hat etwas Enttäuschendes, und der Verfasser dieses Artikels hat seinerzeit Wunderlichs Reise-Ausgabe der „Schönen Müllerin“ (am 15. März 1964 im Wiener Konzerthaus, auch mit Hubert Giesen als Begleiter) als Unbegreiflichkeit empfunden. Noch dazu hat der vielgeliebte „Deutsche Orpheus“ damals nach Beendigung des Zyklus noch ein großes Zugabenkonzert gegeben, also – wozu davor diese Schonkost?
Wie ernst es Fritz Wunderlich sonst mit dem Liedervortrag war, beweist ja die kurz vor seinem Tod entstandene Aufnahme der Müllerin auf DG (wiederum mit Giesen) – da stimmt jeder Ton, da ist nichts weg- und umgefallen.
Sicher wird der große Verehrerkreis des Sängers über diese Publikation glücklich sein. Und es stimmt letzten Endes: die Frage, ob solche unvollkommene Aufnahmen freigegeben werden sollen, ist zu bejahen. Freilich nur im Falle Wunderlich.
Clemens Höslinger [21.10.2009]
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Komponisten und Werke der Einspielung
Tr. | Komponist/Werk | hh:mm:ss |
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CD/SACD 1 | ||
Franz Schubert | ||
1 | Die schöne Müllerin D 795 (Liederzyklus nach Gedichten von Wilhelm Müller) |
Interpreten der Einspielung
- Fritz Wunderlich (Tenor)
- Hubert Giesen (Klavier)