cpo 777 373-2
1 CD • 63min • 2007
22.05.2009
Künstlerische Qualität:
Klangqualität:
Gesamteindruck:
Klassik Heute
Empfehlung
Zu sagen, daß Max Reger zu den Top Ten oder auch nur dem vornehmsten halben Hundert an Komponisten gehörte, die ich gern auf der sprichwörtlichen „einsamen Insel“ um mich hätte – das wäre glatt gelogen. Für den Urwald des immerwährenden, schier zwanghaften Kontrapunktisierens, die selbst in kleineren Formaten wuchernden Seitentriebe und die gigantischen Dimensionen der Sinfonietta, der Böcklin-Tondichtungen oder des Violinkonzerts habe ich zwar ein gerütteltes Maß an staunender Anerkennung übrig, doch nur selten einmal will sich die längerfristige Ergriffenheit einstellen, die schließlich unabdingbar für ein gedeihliches Zusammenleben ist.
Die wenigen Werke, mit denen der vollschlanke Biertrinker aus der Oberpfalz meine innere Abwehr je hat durchbrechen können, nehmen dann freilich gleich einen besonderen Rang ein – allen voran und seit vielen Jahren das Klavierkonzert, auf dessen hier vorliegende Produktion ich demzufolge maßlos (warum nur klingt das bei Reger immer gleich so gefräßig?) gespannt und neugierig war, zumal die intelligente Kopplung mit Ferruccio Busonis freier Bearbeitung des BWV 1052 eine sehr überlegte Interpretation in Aussicht stellte.
Und meine Erwartungen wurden nicht für einen Augenblick enttäuscht. Schon das tief durchgeatmete Präludieren des Orchesters deutete an, daß während der nachfolgenden vierzig Minuten der massive Körperbau des Komponisten nur eine Nebenrolle spielen sollte, und nach der akkordischen Detonation des Solisten entwickelt sich denn auch ein subtiles, in den lyrischen pianissimi fürwahr packendes und – siehe oben – ergreifendes Musizieren, das ich mit fortschreitender Dauer immer mehr in mich aufsaugen mochte und vollends bewunderte, als das Largo con gran espressione von allen Beteiligten bei allen vier Worten genommen wurde: Derselbe Michael Korstick, der eben noch mit derben Hieben das Fazit des Kopfsatzes herausgewuchtet hat – dieser kernige „Kraftmeier“ verströmt sich jetzt „mit großem Ausdruck“ in jener Welt filigran versponnener Fäden und zarter Valeurs, die hinter Regers rüpelhafter Fassade („... gleich werde ich sie hinter mir haben...“) immer wieder überrascht.
Die nachfolgende Bach-Bearbeitung, ein freier, höchst gelungener Umgang Busonis mit dem überragenden Vorbild aller kontrapunktischen Fantastiker, bedarf der historischen Rechtfertigung keineswegs: Wer nicht als „echten Bach“ verkauft, was einer persönlichen Auseinandersetzung mit der Inspirationsquelle entsprang, muß ob seiner Zitat-Einsprengsel, harmonischen Weiterungen und Drehungen oder der klaviermäßigen Eingriffe in den ursprünglichen Cembalosatz keine Einwände fürchten – außer von der bekannten Spezies selbsternannter Heiligtumswächter, die mindestens so versteinert sind wie die Tempel, auf die sie gewissermaßen ehrenamtlich aufpassen. Diesen Hütehunden hat der Autor Charles K. Tomicik (wie lange mag Michael Korstick für dieses Anagramm vor dem Scrabble-Brett gesessen haben?) in seinem umfangreichen, von innerer Überzeugung getragenen Begleittext gleich die Lanze aus der Hand geschlagen. Und wer den musikalischen Ausführungen unvoreingenommen folgt, der wird diese CD, bei der man allenfalls eine etwas überakustische Räumlichkeit in Abzug bringen kann, bis zu den letzten Takten mit höchstem Vergnügen goutieren. Auch auf der „einsamen Insel“...
Rasmus van Rijn [22.05.2009]
Komponisten und Werke der Einspielung
Tr. | Komponist/Werk | hh:mm:ss |
---|---|---|
CD/SACD 1 | ||
Max Reger | ||
1 | Klavierkonzert f-Moll op. 114 | 00:40:28 |
4 | Cembalo Concerto No. 1 d minor BWV 1052 | 00:22:32 |
Interpreten der Einspielung
- Michael Korstick (Klavier)
- Münchner Rundfunkorchester (Orchester)
- Ulf Schirmer (Dirigent)